Urteilsanalyse
BGH: Keine Berechnung von Nutzungen nach Eigenkapitalrendite des Versicherers
Urteilsanalyse
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Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. kann der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Herausgabe von Nutzungen aus Verwaltungskostenanteilen nicht anhand der Eigenkapitalrendite des Versicherers berechnet werden. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. 

22. Jun 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Kanzlei GRAMS Rechtsanwälte, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 11/2020 vom 28.05.2020

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VVG a.F. § 5a; BGB §§ 812818 I

Sachverhalt

Der Kläger fordert von der Beklagten die Rückzahlung von ihm geleisteter Versicherungsprämien für eine 1997 abgeschlossene kapitalbildende Lebensversicherung und Herausgabe von Nutzungen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der Versicherungsvertrag war nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG a.F. geschlossen worden. Nachdem der Kläger zunächst den Vertrag gekündigt hatte, erklärte er 2016 den Widerspruch. Die Widerspruchsbelehrung sei unzureichend und die Verbraucherinformationen seien unvollständig gewesen, so dass er noch 2016 zum Widerspruch berechtigt gewesen sei.

Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG gab ihr in geringem Umfang statt. Soweit die Klage wegen vom Kläger geltend gemachter «Nutzungen im Eigenkapital» abgewiesen wurde, ließ das OLG die Revision zu. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Rechtliche Wertung

Der Kläger habe den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, die der beklagte Versicherer aus den vom Kläger gezahlten Prämien gezogen habe, berechnet, indem er den von ihm vorgetragenen Verwaltungskostenanteil der Prämien sowie vermeintliche Kostengewinne, die sich aus einer behaupteten Differenz zwischen kalkulierten und tatsächlich angefallenen Abschluss- und Risikokosten ergeben sollen, nach der Eigenkapitalrendite der Beklagten verzinst habe. Letztere habe der Kläger für die jeweiligen Geschäftsjahre der Beklagten nach dem Verhältnis ihres Ergebnisses der «gewöhnlichen» Geschäftstätigkeit (Jahresüberschuss ohne außerordentliche Erträge und Aufwendungen sowie Steuern) zum Eigenkapital ermittelt. Damit sei ein Anspruch auf Nutzungen nicht schlüssig dargelegt.

Nutzungen, die der Versicherer aus dem Risikoanteil der Prämien zieht, stünden dem Versicherungsnehmer nach der Rechtsprechung des Senats ohnehin nicht zu (z.B. BGH, Urteil vom 26.09.2018 – IV ZR 304/15, r+s 2018, 647).

Hinsichtlich der Höhe der von der Beklagten aus dem Verwaltungskostenanteil der Prämien gezogenen Nutzungen habe der Kläger seiner Darlegungslast nicht genügt. Erforderlich sei Tatsachenvortrag, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden kann (BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, r+s 2019, 155, Bespr. von Grams, FD-VersR 2019, 414318). Die Ertragslage des Versicherers, auf die sich der Versicherungsnehmer beziehen will, müsse die Verwendung der rechtsgrundlos erbrachten Prämien abbilden. Dazu sei die Eigenkapitalrendite des Versicherers als Maßstab ungeeignet.

Das Ergebnis der normalen Geschäftsstätigkeit des Versicherers, auf das der Kläger abstelle, berücksichtige Erträge, die sich unter keinen Umständen als Resultat der Verwendung der vom Kläger gezahlten Prämien verstehen lasse. Die Prämien flössen ohne Differenzierung nach ihren Bestandteilen insgesamt in das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit ein.

Der Berechnung des Klägers liege die unzutreffende Vorstellung zugrunde, er habe mit seinen Prämien eine Investition in das Eigenkapital des Versicherers getätigt. Zwar könnten die Prämien das Ergebnis des Versicherers beeinflussen und so mittelbar Auswirkungen auf das Eigenkapital haben. Dies führe aber nicht dazu, dass der Kläger als Versicherungsnehmer einem Aktionär des Versicherers gleichzustellen wäre, dem die Eigenkapitalrendite Aufschluss über die Verzinsung seiner Investition geben möge.

Praxishinweis

Die vom BGH entschiedene Frage stellt einen weiteren Baustein zur Rechtsprechung zur Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen nach Widerspruch dar. Sie wurde in der OLG-Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Wie jetzt der BGH entschieden z.B. das OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.09.2019 - 12 U 78/18, NJW-RR 2019, 1439; OLG Stuttgart, Urteil vom 13.12.2018 - 7 U 79/18, BeckRS 2018, 42703. Die Gegenansicht vertraten z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2017 - 7 U 80/17, BeckRS 2017, 142978; OLG Dresden, Urteil vom 28.03.2017 - 4 U 1624/16, BeckRS 2017, 106459).

BGH, Urteil vom 29.04.2020 - IV ZR 5/19 (OLG Köln), BeckRS 2020, 8343