NJW-Editorial
Betriebsschließungen – versichert?
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Foto_Christian_Armbruester_WEB
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Der Lockdown hat ein Schlaglicht auf die zuvor kaum beachtete Betriebsschließungsversicherung geworfen. Sie soll Hotel- und Restaurantbetreibern, Kliniken und Pflegeeinrichtungen Umsatzausfälle infolge einer behördlichen Schließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ersetzen. Darüber, ob sie für Covid-19-bedingte Schließungen eintreten muss, ist weltweit Streit entbrannt. In den USA fordert Präsident Trump die Versicherer zur Zahlung auf; die britische Versicherungsaufsicht hat einen Musterprozess initiiert, der schweizerische Versicherungsombudsmann ein Rechtsgutachten veröffentlicht. In Deutschland mehren sich die Klagen.

31. Jul 2020

Nur wenige Versicherer hierzulande sind ohne „Wenn und Aber“ leistungsbereit. Die meisten wollen, einem Vorschlag aus Bayern folgend, allenfalls 15 % des Ausfalls zahlen. Die Fronten sind verhärtet. Die Versicherer bringen vor, der Schutz sei allein für Schließungen aufgrund betriebsintern aufgetretener Krankheiten gedacht. Tatsächlich wurde er in den 1950 er Jahren zunächst für in Fleischereien auftretende Seuchen entwickelt. In den heute üblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist indessen von einer Beschränkung auf betriebsinterne Risiken keine Rede. Hier liegt das Problem: AVB sind so auszulegen, wie ein verständiger Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse sie bei aufmerksamer Lektüre versteht. Einschränkungen des Leistungsversprechens sind ihm deutlich vor Augen zu führen (BGH, NJW 2020, 929 Rn. 9 f.). Dies ist hier meist unterblieben. Dasselbe gilt für das weitere Vorbringen, Covid-19 zähle nicht zu den versicherten Krankheiten. Nur wenige Versicherer stellen in ihren AVB hinreichend deutlich klar, dass der Schutz keineswegs alle Fälle umfassen soll, in denen der Betrieb aufgrund des IfSG geschlossen wird.

Manche Versicherer tragen Weiteres vor, bis hin zu der erstaunlichen Einlassung, bei Covid-19 handele es sich um eine nicht versicherte Gefahrerhöhung (dagegen zu Recht Lüttringhaus/Genz, r + s 2020, 258). Ist es in Zivilprozessen klug, dem eigenen Vertragspartner alle nur denkbaren Einwendungen entgegenzuhalten? Im Versicherungssektor, dessen Erfolg auf Vertrauen basiert, sollte die Antwort lauten: Nein! Es ist zu hoffen, dass die Rechtsstreite sich nun darauf fokussieren, worüber man ernsthaft diskutieren kann: Wird die Einschränkung des Leistungsversprechens in den konkreten AVB hinreichend deutlich? Sind auch Teilschließungen – etwa wenn ein Außer-Haus-Verkauf erlaubt blieb – versichert (dafür LG Mannheim, r + s 2020, 338 m. zust. Anm. Fortmann; dagegen Goergen/Derkum, VersR 2020, 907 [909 f.])? Welche staatlichen Leistungen sind auf die Entschädigung anzurechnen? Die Versicherungswirtschaft sollte zudem künftig auch bei vermeintlich unbedeutenden Versicherungen die Anforderungen des BGH an die Klauselgestaltung nicht auf die leichte Schulter nehmen. •

Prof. Dr. Christian Armbrüster ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Privatversicherungsrecht und IPR an der FU Berlin sowie Richter am KG a.D..