Urteilsanalyse
Betriebsfortführungskosten bei der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen
Urteilsanalyse
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Der Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren des Insolvenzverfahrens bestimmt sich nach einem Beschluss des OLG Nürnberg vom 12.08.2020 nach dem wirtschaftlichen Wert der bei Beendigung des Verfahrens vorhandenen Insolvenzmasse, wie ihn der Verwalter bis zum Schluss des Insolvenzverfahrens realisieren konnte. Wie auch bei der Berechnung der Insolvenzverwaltervergütung seien die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten in Abzug zu bringen.

28. Sep 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 19/2020 vom 24.09.2020

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Sachverhalt

Das Amtsgericht Ansbach hatte den Wert für die Kosten eines Insolvenzverfahrens nach Nrn. 2310 und 2322 KV GKG auf 531.609,39 EUR festgelegt. Dies rügte der Insolvenzverwalter. Es sei der wirtschaftliche Wert der Insolvenzmasse heranzuziehen. Die Kosten der Betriebsfortführung seien daher abzuziehen. Das Landgericht Ansbach hob den Beschluss des AG schließlich auf und setzte den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren auf 102.996,17 EUR fest. Dagegen legte die Bezirksrevisorin beim LG weitere Beschwerde ein. Das LG half dieser nicht ab. Die weitere Beschwerde hatte vor dem OLG Nürnberg keinen Erfolg.

Entscheidung: Kosten der Betriebsfortführung abzuziehen

Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmten sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Eine gleichlautende Formulierung enthalte § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Vergütung des Insolvenzverwalters. Der Wert der Insolvenzmasse nach § 63 InsO sei der wirtschaftliche Wert der Insolvenzmasse, wie ihn der Insolvenzverwalter bis zum Abschluss des Verfahrens habe realisieren können. Dies folge aus § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 lit. b InsVV, wonach bei der Betriebsfortführung die Ausgaben von den Einnahmen abzuziehen seien. Mit der gleichlautenden Formulierung in § 58 GKG und § 63 InsO habe der Gesetzgeber eine einheitliche Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters schaffen wollen. Aufgrund des identischen Wortlautes des § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG und des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO und der gesetzgeberischen Intention sei kein Grund ersichtlich, von unterschiedlichen Gegenstandswerten auszugehen, sodass sowohl für die Erhebung der Gerichtskosten als auch für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters dieselbe Berechnungsgrundlage zur Anwendung komme.

Insbesondere greife das Argument nicht durch, dass der Wert der Insolvenzmasse für die Gerichtskosten und für die Vergütung des Insolvenzverwalters unterschiedlich zu berechnen sei, da bei § 58 GKG eine dem § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 lit. b InsVV vergleichbare Regelung fehle. Zwar gelte die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 lit. b InsVV, wonach bei Betriebsfortführung die Ausgaben von den Einnahmen abzuziehen seien, nur für die Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 63 InsO. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 lit. b InsVV gestalte aber den Begriff des Wertes der Insolvenzmasse lediglich konkretisierend aus, ohne ihn in seiner grundsätzlichen Festlegung zu ändern. Die Begrenzung des Wertes der Insolvenzmasse auf den Überschuss der Einnahmen folge bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 58 GKG. Ein Rückgriff auf die Regelung der InsVV sei daher für die Bestimmung des Wertes der Insolvenzmasse im Sinne des § 58 GKG nicht erforderlich.

Es könne sich auch nicht werterhöhend auswirken, dass bei einer Betriebsfortführung auch bei Gericht ein entsprechender Mehraufwand bei der Prüfung entstehe. Bei der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters werde dieser Mehraufwand durch den Zuschlagstatbestand des § 3 Abs. 1 lit. b InsVV ausgeglichen. Eine entsprechende Regelung existiere im Rahmen der Gerichtskosten nicht. Allerdings stelle das Gerichtskostenrecht auf die Erfüllung äußerer (objektiver) Merkmale ab und nicht auf den konkreten Aufwand. Es sei Sache des Gesetzgebers, das Kostenrecht so auszugestalten, dass angemessene und gegebenenfalls sogar ausreichende Kosten erhoben werden können. Zu Recht habe damit das LG den AG-Beschluss aufgehoben und den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren auf 102.996,17 EUR festgesetzt.

Praxishinweis

Beim Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens ist, wenn der Insolvenzverwalter den schuldnerischen Betrieb fortführt, streitig, ob sämtliche Einnahmen ohne Berücksichtigung der Ausgaben in die Berechnungsgrundlage einfließen oder nur der Überschuss (nur Überschuss zum Beispiel OLG Bamberg, Beschluss vom 05.01.2017 - 8 W 87/16, BeckRS 2017, 147046; sämtliche Einnahmen zum Beispiel OLG München, Beschluss vom 25.4.2017 - 21 W 2/17, NZI 2017, 547; vgl. weiter zum Streitstand Elzer in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 58 GKG Rn. 3). Das OLG Nürnberg hat sich in der berichteten Entscheidung der wohl leicht überwiegenden Auffassung angeschlossen, dass bei der Berechnung der Gegenstandswerts für die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens die mit einer Betriebsfortführung verbundenen Kosten in Abzug zu bringen sind.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.08.2020 - 5 W 421/20 (LG Ansbach), BeckRS 2020, 22429