Urteilsanalyse
Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages
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Nach § 253 II Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 I Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 I ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt.

2. Mrz 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 04/2022 vom 25.02.2022

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Sachverhalt

Der Kläger K stellt den Antrag, der Beklagte B habe es zu unterlassen, „im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen über Wasserspender gleichzeitig den Abschluss von gesonderten Verträgen über die Erbringung von Serviceleistungen für die Mietgeräte anzubieten, bei denen die Servicegebühr mit 0,00 € oder 1,00 € ausgewiesen ist, wenn die Servicegebühr zuvor in die Gerätemiete eingerechnet worden ist, sofern nicht üblicherweise tatsächlich eine gesonderte Servicegebühr, die nicht in die Miete einkalkuliert ist, gefordert wird.“ Fraglich ist, ob dieser Klageantrag hinreichend bestimmt iSd § 253 II Nr. 2 ZPO ist.

Entscheidung: Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt!

Nach § 253 II Nr. 2 ZPO dürfe ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 I Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 I ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt seien, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen könne und die Entscheidung darüber, was ihr verboten sei, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleib (Hinweis auf stRspr., ua BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 19 – Influencer I). Nach diesen Maßstäben mache das Wort „üblicherweise“ im „Sofern“-Zusatz des Unterlassungsantrags diesen Antrag nicht unbestimmt. Der Zusatz stelle lediglich ein für den Verbotsumfang bedeutungsloses Begründungselement dar.

Praxishinweis

Der BGH löst den Fall über den Begriff „bedeutungsloses Begründungselement“. Was das meint und worauf man aufpassen muss, das kann man besser in früheren Entscheidungen nachlesen.

Im Fall BGH GRUR 2016, 406 – Piadina-Rückruf – hatte der Verfügungskläger beantragt, dem dortigen Beklagten zu verbieten, das Produkt Piadina der Marke Orto Mio in einer Verpackung im Geschäftsverkehr zu bewerben, insbesondere zum Verkauf anzubieten und/oder zu verkaufen, auf der neben der Bezeichnung „Piadina – Italienisches Fladenbrot“ und dem Markennamen Orto Mio an dem oberen und unteren Etikettrand die italienische Flagge aufgedruckt ist, wie geschehen in der Anlage … [Ablichtung der Produktverpackung], „solange dieses Produkt nicht tatsächlich in Italien hergestellt worden ist“. Fraglich wurde, wie der Zusatz „solange“ zu verstehen war.  Wäre er im Sinne einer konditionalen Verknüpfung („nur wenn“) oder zeitlich („bis“) zu verstehen, hätte er Ungewissheit über den Herstellungsort der Brote ausgedrückt und wäre unzulässig gewesen. Nach Ansicht des I. Zivilsenates stellte er indes auch dort lediglich ein „für den Verbotsumfang bedeutungsloses Begründungselement dar“. Er habe die Selbstverständlichkeit ausgedrückt, dass das Verbot nicht mehr gelten soll, wenn die Brote künftig tatsächlich in Italien hergestellt würden; die bei Erlass des Verbots in den Märkten der Bekl. angebotenen Brote sollen aber auf jeden Fall unter das Verbot fallen. Ähnlich verfuhr der I. Zivilsenat auch vorher. Im Fall GRUR 2002, 177 Rn. 30 – juris – Jubiläumsschnäppchen – meinte er, die Wendung „besondere Verkäufe“ diene nicht der näheren Umschreibung des Gegenstands des Verbots, sondern sei nur ein Begründungselement, welches „– an sich überflüssig – in den Antrag“ aufgenommen worden war.

Im Fall BGH GRUR 2002, 86 – Laubhefter – ging es demgegenüber um die Formulierung „zu Verwechslungen geeignet”. Hier meinte der BGH, die Wendung stelle den eigentlichen Kern des begehrten und ausgesprochenen Verbots dar und könne daher auch nicht als zwar überflüssiges, im Ergebnis aber wegen der ansonsten hinreichend konkreten Umschreibung der untersagten Handlungen unschädliches Begründungselement angesehen werden.

BGH, Urteil vom 25.11.2021 - I ZR 148/20, GRUR-RS 2021, 44203