Urteilsanalyse
Bestellung eines Notanwalts am BGH
Urteilsanalyse
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Hat die Partei zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nach Ansicht des BGH nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Dabei hat die Partei darzulegen, dass die Beendigung des Mandats nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen ist.

21. Dez 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 25/2022 vom 16.12.2022

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Sachverhalt

B wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 116.911,73 EUR nebst Zinsen aufgrund seiner Haftung als GmbH-Geschäftsführer gem. §§ 43 Abs. 3, 64 GmbHG. Das Berufungsgericht weist seine Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Gegen diesem ihm am 11.11.2021 zugestellten Beschluss legt B, vertreten durch den beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt X, am 13.12.2021 (Montag) Nichtzulassungsbeschwerde ein. Auf Antrag des X wird die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zuletzt bis zum 2.5.2022 verlängert. Mit am 29.3.2022 beim BGH eingegangenem Schriftsatz legt X das Mandat nieder. Mit Telefax vom 2.5.2022 beantragt B, ihm einen Notanwalt zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu bestellen.

Entscheidung: Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gem. § 78b ZPO ist abzulehnen!

Die Voraussetzungen des § 78b Abs. 1 ZPO seien im Streitfall nicht erfüllt. Eine Beiordnung komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil B die Beendigung des Mandatsverhältnisses zu vertreten habe. Habe die Partei zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so komme im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten habe. Dabei habe die Partei darzulegen, dass die Beendigung des Mandats nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen sei.

Ein solcher Fall liege nicht vor. X habe zur Begründung seiner Mandatsniederlegung mitgeteilt, dass die Sache bearbeitet sei, über ihre weitere Behandlung aber immer noch keine Einigkeit bestehe und er das Mandat deswegen niederlege, um B die Möglichkeit zu geben, sich eines anderen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts zu bedienen. Diese Sichtweise teile B.

Praxishinweis

Der Fall zeigt erneut: Die Bestellung eines Notanwalts kann nicht deshalb verlangt werden, weil ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beim BGH nicht willens war, eine Revisions- oder Beschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig oder unbegründet hält. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim BGH ist, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtsuchenden sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten erspart. Zugleich soll der BGH von solchen Rechtsmitteln entlastet werden. Dem liefe es zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des auf das Revisionsrecht spezialisierten Rechtsanwalts durchzusetzen (siehe nur BGH, BeckRS 2019, 855 Rn. 9; BGH BeckRS 2019, 8691 Rn. 4).

BGH, Beschluss vom 18.10.2022 - II ZR 210/21 (OLG Düsseldorf), BeckRS 2022, 32817