Urteilsanalyse
Bestechung eines Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl für eine künftige Diensthandlung
Urteilsanalyse
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Das Anbieten oder Gewähren von Vorteilen für künftige Diensthandlungen an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewirbt, kann nach Ansicht des BGH dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen, wenn dem Vorteilsnehmer im Zeitpunkt der Tathandlung bereits allgemein aufgrund seiner Stellung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen ist.

9. Aug 2021

Anmerkung von 
Rechtsanwältin Simone Breit, Knierim & Kollegen Rechtsanwälte, Mainz 

Aus beck-fachdienst Strafrecht 16/2021 vom 05.08.2021

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Sachverhalt

2011 verkaufte die S GmbH ein in zwei Bauabschnitte aufgeteiltes Grundstück an die Baufirma T unter der Bedingung, dass durch die Stadt Regensburg jeweils eine Baugenehmigung für die Errichtung von Einzelhandelsflächen erteilt würde, obwohl dies in einem für dieses Gebiet erlassenen Bebauungsplan so bislang nicht vorgesehen war.

A, Geschäftsführer und Mitgesellschafter der S GmbH, wandte sich wegen einer entsprechenden Änderung des Bebauungsplans per E-Mail an R, den Geschäftsführer der T, und forderte ihn im Hinblick auf die bevorstehende Kommunalwahl auf, abzuklären, „ob für beide Kandidaten der SPD eine kleine Spende für ihren Wahlkampf gemacht werden könne“.

Jedenfalls stillschweigend kamen A und R überein, durch eine Spende auf den für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierenden SPD-Kandidaten W einzuwirken, damit dieser auf die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans Einfluss nimmt. W war bereits sechs Jahre lang dritter Bürgermeister, Sozialreferent und auch Vertreter des Oberbürgermeisters gewesen und hatte gute Chancen in der anstehenden Stichwahl. Den vertretungsweisen Vorsitz im städtischen Planungsausschuss, der für die Erteilung von Baugenehmigungen und die Bauleitplanung zuständig war, hatte W in der Vergangenheit dreimal wahrgenommen.

Vor der Stichwahl wandte sich A in einer zweiten E-Mail erneut an R: „Wie heute Morgen besprochen hier die Kontonummer für ihre Spende von 5.000,00 EUR. Ich habe mit W gesprochen und er bedankt sich herzlich im Voraus.“ R leitete diese E-Mail mit dem Zusatz „Würden sie das bitte veranlassen. Ich habe die Spende zugesagt, damit der 2. BA und die Bücherei kommen“ weiter. Am Folgetag wurden 5.000 EUR an den SPD-Ortsverein überwiesen, über den W seinen Wahlkampf organisierte. W, der nicht wusste, dass es sich um eine Einflussspende gehandelt hatte, setzte sich bei der Stichwahl durch und trat das Amt als Oberbürgermeister an.

Das LG verurteilte den A wegen Bestechung zu einer Geldstrafe. Dagegen legte A eine auf die Sachrüge gestützte Revision ein.

Entscheidung

Der BGH verwarf die Revision als unbegründet.

Die Spendenzahlung habe das LG im Ergebnis zutreffend als Gegenleistung für eine pflichtwidrige Diensthandlung gewertet. Der näheren Erläuterung bedürfe allerdings die Frage, inwieweit ein Amtsträger für eine künftige Diensthandlung, für die der Vorteil gewährt werden soll, zuständig sein müsse.

Eine Diensthandlung liege nach der Rechtsprechung vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehöre und von ihm in dieser Eigenschaft wahrgenommen werde. Nicht erfasst sei die Annahme von Vorteilen, die nur „im Zusammenhang mit dem Amt“, also nicht in einem Beziehungsverhältnis zur Dienstausübung stünden. Tatbestandsmäßig sei es aber, wenn ein Amtsträger sich für den Fall seiner Wiederwahl Vorteile für eine künftige Dienstausübung versprechen lasse, da die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit auch in diesem Fall beeinträchtigt würden.

Auch das Anbieten oder Gewähren von Spenden an einen Amtsträger, der sich für ein anderes Amt bei demselben Dienstherrn bewerbe, könne dem Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte unterfallen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn dem Vorteilsnehmer auf Grund seiner Stellung bereits bei der Tathandlung ein weitreichender Aufgabenkreis zugewiesen sei. Denn ein Amtsträger, der sich zur Wiederwahl stelle und hierfür in einem Gegenseitigkeitsverhältnis mit seinen - nach seiner Wahl vorzunehmenden - Diensthandlungen stehende Vorteile annehme, verstoße gegen die ihm obliegenden Sonderpflichten. Er gefährde das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, weil er den Anschein der Käuflichkeit öffentlicher Entscheidungen erwecke. Dies gelte unabhängig davon, ob sich der Amtsträger für das gleiche oder ein anderes Amt desselben Dienstherrn bewerbe. In beiden Fällen unterliege er zum Zeitpunkt der Tathandlung besonderen Pflichten. Diese unterschieden sich lediglich durch den konkret übertragenen Aufgabenbereich, seien aber nicht auf diesen beschränkt und bestünden gegenüber demselben Dienstherrn. Da der Amtsträger für die zum Gegenstand der Dienstausübung gemachte Diensthandlung nicht nach der internen Geschäftsverteilung konkret zuständig sein müsse, sei es ausreichend, dass die Tätigkeit zum allgemeinen Aufgabenbereich des Amtsträgers gehöre und mit diesem in einem unmittelbaren Zusammenhang stehe.

Vorliegend habe die Möglichkeit bestanden, W als dritten Bürgermeister mit Verwaltungsaufgaben zu betrauen, die auch dieses Unternehmen hätten betreffen können. Eine konkrete Zuständigkeit habe bestanden, wenn er den Oberbürgermeister im Planungsausschuss der Stadt vertreten habe. Ein Stellenwechsel zum Amt des Oberbürgermeisters führe lediglich dazu, dass sich der konkrete Aufgabenbereich gemäß der internen Organisationsverteilung ändere, während der allgemeine Aufgabenbereich in Form der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben unverändert bleibe.

Für einen objektiven Betrachter stelle sich deshalb die Gewährung von Spenden an einen solchen Amtsträger unabhängig von der dienstlichen Aufgabenverteilung als Gefahr für die Lauterkeit der Amtsführung dar. Denn der Anschein der Käuflichkeit amtlicher Entscheidungen entstehe auch dann, wenn Spender oder Amtsträger davon ausgingen, dass der Amtsträger im Laufe der künftigen Amtszeit mit im Interesse des Spenders liegenden Vorhaben befasst sei. Dies gelte umso mehr, als die Anforderungen an die Bestimmtheit der zukünftigen Diensthandlung nicht allzu eng gefasst sein dürfen, weil ansonsten solche Amtsträger privilegiert würden, die sich nicht nur im Hinblick auf eine einzelne konkrete Diensthandlung, sondern für weite Bereiche ihres Wirkens als käuflich erwiesen.

Praxishinweis

Bisher ungeklärt war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Bestechungsdelikte auch die künftige Dienstausübung im Hinblick auf ein zum Zeitpunkt der Tathandlung noch nicht ausgeübtes Amt erfassen. Für die Kontinuität des bestehenden Amtes hatte der BGH bereits im Rahmen der Vorteilsnahme die Anwendung der Bestechungsdelikte bejaht (vgl. BGH NJW 2004, 3569; BGH NJW 2007, 3446, 3447 f.). Nach Sinn und Zweck der Bestechung und Bestechlichkeit im Amt, den bloßen Anschein der Käuflichkeit amtlicher Entscheidungen zu verhindern, kann es allerdings keinen Unterschied machen, ob der Amtsträger dasselbe oder ein anderes Amt beim gleichen Dienstherrn wahrnimmt. Einschränkend muss aber – so der BGH – gewährleistet sein, dass der Amtsträger auch zukünftig mit solchen Aufgaben betraut sein wird, die Grund der Vorteilsgewährung sind.

BGH, Beschluss vom 01.06.2021 - 6 StR 119/21, BeckRS 2021, 19149