Glosse

Be­sen­hei­de­blü­ten­ball
Glosse
Kevin Carden - stock.adobe.com

Wie genau riecht Hei­de­blü­ten­ho­nig - viel­leicht kräf­ti­g­aro­ma­tisch herb? Und was hat das mit Golf­bäl­len zu tun? Diese und an­de­re Fra­gen be­ant­wor­tet un­se­re neu­es­te Ent­schei­dung der Woche aus der NJW. 

17. Nov 2023

In der Ju­ris­ten­zunft soll es ja viele Gol­fer geben. Wer die­sem Hobby frönt (den über­stra­pa­zier­ten schlüpf­ri­gen Ka­lau­er über die ver­meint­li­che Alt­her­ren-Sport­art er­spa­ren wir dem ge­bil­de­ten Pu­bli­kum der NJW), weiß, wie wich­tig die Ei­gen­schaf­ten von Golf­bäl­len sind. Scha­le, in­ne­rer Auf­bau und die bis zu 450 Dimp­les auf der Ober­flä­che haben ma­ß­geb­li­chen Ein­fluss auf Kom­pres­si­on, Spin und Ball­flug. Wor­auf es we­ni­ger an­kommt, ist der Ge­ruch der min­des­tens 42,67 Milli­meter gro­ßen und ma­xi­mal 45,93 Gramm schwe­ren Ku­geln. Denn sie flie­gen die meis­te Zeit umher oder lie­gen ir­gend­wo auf der Wiese, in die Nähe der Spie­ler­na­se kom­men sie nie oder höchst sel­ten. Ergo sind sie kein ol­fak­to­ri­sches Er­leb­nis, ab­ge­se­hen davon, dass sie viel­leicht nach Kar­ton rie­chen, wenn man sie aus der Ver­pa­ckung holt, oder spä­ter im Be­trieb nach fri­schem Gras oder nach mod­ri­gem Matsch, je nach­dem wohin man das Spiel­ge­rät zuvor ge­dro­schen hat.

Aber es gibt ja für alles einen Markt und au­ßer­dem müs­sen diese Gol­fer ir­gend­wie na­tur­ver­bun­den sein, wenn sie bei Wind und ­Wetter stun­den­lang über die ins­ge­samt meh­re­re Ki­lo­me­ter lan­gen Bah­nen spie­len. Da muss es doch ein In­ter­es­se an Bäl­len geben, die das Natur­erlebnis noch wohl­rie­chend be­för­dern. Des­halb mel­de­te ein fin­di­ger Un­ter­neh­mer für die Klas­se 28/Sport­ar­ti­kel eine Marke an, die (wir zi­tie­ren im Hin­blick auf un­gläu­bi­ges Stau­nen un­se­rer ge­neig­ten Leser­schaft vor­sorg­lich wört­lich) „aus dem Ge­ruch von Honig aus Nek­tar von Be­sen­hei­de­blü­ten (Can­nu­la Vul­ga­ris) auf Golf­bäl­len“ be­steht. Falls Sie sich fra­gen, wie genau das riecht, die Be­schrei­bung zur ­Anmeldung gibt hier­über Auf­schluss: „Han­dels­üb­li­che Golf­bäl­le sind ge­ruchs­frei. Hei­de­blü­ten­ho­nig, hier in der Form von Honig aus Nek­tar von Blü­ten der Hei­de­kraut­art „Be­sen­hei­de“ (Can­nu­la Vul­ga­ris), hat aus­weis­lich der Be­schrei­bung in Zif­fer 3.​1.​1.​2.1. der Neu­fas­sung der Leit­sät­ze für Honig der Le­bens­mit­tel­buch­kom­mis­si­on beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung und Land­wirt­schaft in der Fas­sung vom 27.6.​2011 einen cha­rak­te­ris­ti­schen, kräf­ti­g­aro­ma­tisch her­ben, Ge­ruch. Die Marke be­steht aus eben die­sen Ge­ruch auf Golf­bäl­len.“ Das Deut­sche Pa­tent- und Mar­ken­amt wink­te indes ab, weil es die Marke nicht für dar­stell­bar hielt. Ein „kräf­ti­g­aro­ma­tisch her­ber Ge­ruch“ sei nun mal weder klar noch ein­deu­tig. Das EuG habe in sei­nem Ur­teil „Duft rei­fer Erd­bee­ren“ (Mar­kenR 2005, 536) ent­schie­den, dass sogar die An­ga­be ­einer che­mi­schen For­mel keine Ge­wiss­heit über den Ge­ruch gebe.

Das moch­te der An­mel­der nicht ak­zep­tie­ren, seine Be­schwer­de hatte indes kei­nen Er­folgt. Das Bun­des­pa­tent­ge­richt (Be­schl. v. 20.9.​2023 – 29 W (pat) 515/21) sah es wie das DPMA. Zudem hielt es dem Sport­ar­ti­kel­her­stel­ler die von ihm ein­ge­reich­ten Un­ter­la­gen vor. ­Daraus gehe her­vor, dass der Ge­ruch ob­jek­tiv nicht bei jeder Ernte gleich sei und sogar ver­ein­zelt als „sehr süß“ be­schrie­ben werde. Auch der Duden be­schrei­be un­ter­schied­li­che ol­fak­to­ri­sche Aus­prä­gun­gen von „herb“ und „aro­ma­tisch“. Folg­lich sei nicht aus­rei­chend klar, ab wann der Ge­ruch des Ho­nigs etwa „kräf­tig-aro­ma­tisch“, „aro­ma­tisch“ oder „mild-aro­ma­tisch“ sei. Zumal der mensch­li­che Ge­ruchs­sinn stark in­di­vi­du­ell ge­prägt sei, so das BPatG mit einem fei­nen Näs­chen für die mar­ken­recht­li­chen Fein­hei­ten und die os­mo­lo­gi­schen Grund­la­gen der Riech­wahr­neh­mung (die Ent­schei­dung ist ab­ruf­bar unter GRUR-RS 2023, 27259).  

Die­ser In­halt ist zu­erst in der NJW er­schie­nen. Sie möch­ten die NJW kos­ten­los tes­ten? Jetzt vier Wo­chen gra­tis tes­ten inkl. On­line-Modul NJW­Di­rekt.

Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M..