NJW-Editorial
Beschleunigte Planungsverfahren – Schimäre oder Herkulesaufgabe?
NJW-Editorial
Lorem Ipsum

Nach der Bundestagswahl hat die Forderung, Planungsverfahren für Großprojekte – insbesondere im Bereich der Infrastruktur – zu beschleunigen, wieder einmal Hochkonjunktur. Die Hoffnung, dies durch Verfahrensstraffung erreichen zu können, ist freilich eine Schimäre. Sie beruht gleich in doppelter Hinsicht auf einem Trugbild.

14. Okt 2021

Zum einen stehen der Forderung, die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Klagemöglichkeiten zu beschränken, verbindliche Vorgaben des Unionsrechts entgegen. Zum anderen liegt der wesentliche Grund für die lange Dauer sowohl der Zulassungsverfahren als auch anschließender gerichtlicher Verfahren nicht in der Ausgestaltung des Verfahrensrechts. Vielmehr beruht er maßgeblich auf Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung des unionsrechtlich determinierten materiellen Umweltrechts.

Dies wird exemplarisch am Streit um das Kraftwerk Moorburg deutlich. Das OVG Hamburg hatte der Klage des BUND mit der Begründung einer Verletzung des Verschlechterungsverbots der EU-WasserrahmenRL stattgegeben; Behörde und Betreiber hatten hiergegen Revision eingelegt. Nachdem das BVerwG die Frage des für das Verschlechterungsverbot einschlägigen Maßstabs im Rechtsstreit über den Ausbau der Weser dem EuGH vorgelegt hatte, ordnete es ein erstes Ruhen des Moorburg-Verfahrens an. Unabhängig davon sah die EU-Kommission – anders als zuvor das OVG – durch die Erlaubnis auch Vorschriften der FFH-RL als verletzt an. Nachdem sie deshalb gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, wurde vom BVerwG ein zweites Ruhen des Moorburg-Verfahrens angeordnet. Nach teilweiser Stattgabe der Vertragsverletzungsklage durch den EuGH sah sich das BVerwG gehalten, im Revisionsverfahren seinerseits von einer Habitatrechtswidrigkeit auszugehen. Da es als Revisionsgericht zur Frage der Heilbarkeit dieses Verstoßes keine eigenen Feststellungen treffen konnte, musste es die Sache an das OVG zurückverweisen, das schließlich durch inzwischen rechtskräftiges Urteil im Jahre 2020 und damit zehn Jahre nach Erlass der wasserrechtlichen Erlaubnis diese für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärte.

Das Beispiel zeigt: Eine Beschleunigung wird sich nur durch eine Vereinfachung und damit rechtssicherere Anwendbarkeit des materiellen EU-Umweltrechts erreichen lassen. Die Zeit drängt. Denn der Green Deal der EU wird sich nur realisieren lassen, wenn der rechtzeitige Bau der notwendigen Leitungen und CO2-neutralen Erzeugungsanlagen nicht daran scheitert, dass es durch derartige Unsicherheiten zu jahrelangen Verzögerungen kommt. Zudem wird sich die Kommission überlegen müssen, ob sie zur Einhaltung ihres Fahrplans nicht derartige Vorhaben befristet von bestimmten umweltrechtlichen Vorgaben freistellt. Zwar ist all dies eine Herkulesaufgabe, deren rasche Bewältigung aber für die rechtzeitige Erreichung der Klimaziele unumgänglich erscheint.

Prof. Dr. Wolfgang Ewer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Kiel sowie Mitherausgeber der NJW.