Urteilsanalyse
Berufungseinlegung durch einen Streithelfer
Urteilsanalyse
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Das Berufungsgericht muss bei einer Berufungseinlegung durch den Streithelfernach einem Beschluss des BGH  auch dann prüfen, ob der Beitritt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO genügt, wenn der Beitritt bereits erstinstanzlich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil verbunden worden ist. 

14. Feb 2023

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 03/2023 vom 10.02.2023

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Sachverhalt

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K klagt gegen den Wohnungseigentümer B auf Zahlung von Vor- und Nachschuss. Das AG verurteilt B antragsgemäß durch Versäumnisurteil zur Zahlung von 1.402,92 EUR nebst Zinsen. Mit einem Schreiben vom 4.8.2021 erklärt ein S, dem B als Streithelfer beizutreten und für ihn Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Das AG verwirft diesen Einspruch als unzulässig. Die von S eingelegte Berufung verwirft das LG ebenfalls als unzulässig (LG München I BeckRS 2022, 40461). Es liege kein wirksamer Beitritt vor. Es fehle an der erforderlichen bestimmten Angabe des dem Beitritt zugrundeliegenden Interesses gem. § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO. Hiergegen wendet sich S mit der Rechtsbeschwerde.

Entscheidung: Ohne Erfolg!

Da eine Berufung nur von Prozessbeteiligten eingelegt werden könne, hänge ihre Zulässigkeit im Falle der Einlegung durch einen Streithelfer davon ab, ob dieser rechtzeitig – spätestens mit Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 2 ZPO) – und wirksam dem Rechtsstreit beigetreten sei. Bei einer Verbindung des Beitritts mit der Einlegung der Berufung müsse der Beitritt den inhaltlichen (formalen) Anforderungen des § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügen (Hinweis ua auf BGH TranspR 2019, 39 Rn. 8). Ob der Streithelfer an dem Beitritt ein rechtliches Interesse gem. § 66 Abs. 1 ZPO habe, sei demgegenüber für seine Rechtsmittelbefugnis unerheblich (Hinweis auf BGH NJW-RR 2020, 942 Rn. 11 = FD-ZVR 2020, 430991 mAnm Elzer). Das Berufungsgericht müsse bei einer Berufungseinlegung durch einen Streithelfer auch dann prüfen, ob der Beitritt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 S. 2 ZPO genüge, wenn der Beitritt bereits erstinstanzlich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil verbunden worden sei.

Das Berufungsgericht habe deshalb zu Recht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO spätestens im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung vorlagen. Dies habe es ohne Rechtsfehler verneint. Weder aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz des S vom 4.8.2021 noch aus seinem Berufungsschriftsatz lasse sich entnehmen, welches Interesse S an dem Beitritt habe (§ 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO).

Praxishinweis

Verbindet der Streithelfer den Beitritt mit einem Rechtsbehelf, müssen auch die besonderen (formalen) Voraussetzungen für den Beitritt erfüllt sein, wobei es unerheblich ist, in welcher Instanz der Beitritt erfolgt. Anders ist es, wenn der Beitritt ohne gleichzeitige Einlegung eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs während des laufenden Verfahrens erklärt wird. Dann ist die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung des Gerichts auf die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen beschränkt, also darauf, ob die Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit gegeben sind. Die besonderen Voraussetzungen der Streithelfe werden dann nur auf Antrag einer Hauptpartei und nur im Verfahren nach § 71 ZPO geprüft (BGH BeckRS 2019, 30364 = FD-ZVR 2020, 430990 mAnm Elzer).

BGH, Beschluss vom 24.11.2022 - V ZB 29/22 (LG München I), BeckRS 2022, 40460