Anmerkung von
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht Björn Krug, LL.M. (Wirtschaftsstrafrecht), Ignor & Partner GbR, Berlin und Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Strafrecht 13/2020 vom 09.07.2020
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Sachverhalt
Das AG hat den A am 31.1.2018 wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dieses Urteil hat das LG auf die Berufung des A am 25.11.2019 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und den A zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 300 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der A mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und die Sachrüge gestützten Revision.
Entscheidung
Die zulässig erhobene und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision hat zum Teil Erfolg. Die revisionsrechtliche Überprüfung auf die Sachrüge führe zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Ausspruch über die Höhe der Tagessätze mit den zugehörigen Feststellungen. Die Festsetzung der Höhe der Tagessätze auf 300 Euro halte der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 40 Abs. 2 StGB bestimme das Gericht die Höhe eines Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, wobei in der Regel von dem Nettoeinkommen auszugehen ist, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Zwar habe das Tatgericht bei der Bemessung der Tagessatzhöhe einen weiten Beurteilungsspielraum. Weil es nicht möglich sei, in allen Fällen sämtliche Umstände, die für die Festsetzung des Nettoeinkommens von Bedeutung sein können, abschließend aufzuklären und ins Einzelne gehende Ermittlungen regelmäßig unverhältnismäßig wären, komme der in § 40 Abs. 3 StGB geregelten Schätzung der Bemessungsgrundlagen besondere Bedeutung zu. Jedoch müssten die Grundlagen der Schätzung festgestellt und erwiesen sein sowie im Urteil überprüfbar mitgeteilt werden. Diesen Anforderungen werde das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.
Das LG habe ausgeführt, dass es der Ermittlung des durchschnittlichen Nettoeinkommens des A die gesamten Einkünfte zugrunde gelegt hat, die dieser aus dem Handel mit Kryptowährungen bis einschließlich November 2019 erwirtschaftet hat. Gestützt auf die für glaubhaft erachtete Einlassung des A habe das LG festgestellt, dass der A seinen Lebensunterhalt durch Investitionen in Kryptowährungen bestritt und dadurch von Mai bis einschließlich November 2019 „einen durchschnittlichen Gewinn von 25.000 Euro“ erzielte, während er zuvor von Januar bis einschließlich April 2019 keine Einkünfte erwirtschaftete. Diese im Jahre 2019 erzielten Gewinne seien „nach wie vor vorhanden und für den A realisierbar“. Er habe sie „mittels eines sogenannten Wallets, einer elektronischen Geldbörse“ verwaltet. Aus den hiernach in elf Monaten insgesamt erwirtschafteten 175.000 Euro habe das LG einen durchschnittlichen Gewinn von 15.900 Euro brutto pro Monat errechnet. Den monatlichen Nettogewinn habe es auf 9000 Euro geschätzt und auf dieser Grundlage eine Tagessatzhöhe von 300 Euro festgesetzt.
Dies begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten des A im Handel mit Kryptowährungen trügen nicht die Schlussfolgerung, dass der A in dem relevanten Betrachtungszeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von 9000 Euro erzielt hat. Davon wäre erst dann auszugehen, wenn der A den Bestand an Kryptowährungen in staatliche Währung umgewandelt und etwa als Gutschrift auf ein Bankkonto übertragen hätte. Dem stehe jedoch die Feststellung entgegen, dass die Gewinne „für den A realisierbar“ waren und nach wie vor mittels seines Wallets verwaltet wurden. Das bedeute, dass es sich nach wie vor um Kryptowährung handelte. Der auf einem Wallet verwaltete Bestand an Kryptowährung stelle indes kein Einkommen, sondern einen „realisierbaren Vermögenswert“ dar. Als solcher könne er zwar auch bei der Festsetzung der Höhe der Tagessätze Berücksichtigung finden. Dabei müssten jedoch die Grundsätze zur Anwendung kommen, die für die Berücksichtigung von Vermögen bei der Ermittlung des Einkommens aufgestellt worden sind. Da die Umwandlungskurse von Kryptowährungen in Geld bekanntermaßen starken Schwankungen unterlägen, könne der Wert dieses Vermögensvorteils ohne nähere Feststellungen zur Art der Kryptonwährung und den Kursen im Betrachtungszeitraum nicht beurteilt werden. Da die Festsetzung der Tagessatzhöhe in aller Regel losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig überprüft werden könne und hier keine Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung bestünden, führe der festgestellte Mangel lediglich zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang und zu einer entsprechenden Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur erneuten Festsetzung der Tagessatzhöhe.
Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Celle ist nachvollziehbar. In der Tat wird das Guthaben in einer Kryptowährung erst durch die Umwandlung in eine staatliche Währung präzise messbar, während es vorher einen realisierbaren Vermögenswert darstellt (vgl. BeckRS 2017, 145251 für Bitcoins). Dabei gilt es zu beachten, dass die Heranziehung von Vermögen zur Bestimmung der Tagessatzhöhe zwar zulässig ist, dabei aber restriktiv vorzugehen ist. Insbesondere soll die Quelle, die gerade Grundlage zur Erwirtschaftung von Einnahmen aus Vermögen ist, nicht herangezogen werden (vgl. insg. MüKo-StGB/Radtke, § 40 Rn. 110 ff.). Mithin wird zu prüfen sein, welcher Gewinn vorliegend realisierbar ist und ggf. zusätzlich, aus welchem Grund diese Erträge zuvor nicht realisiert wurden.
OLG Celle, Beschluss vom 05.06.2020 - 3 Ss 16/20 (LG Stade), BeckRS 2020, 12374