Urteilsanalyse
Bemessung des angemessenen Bruchteils der Regelvergütung eines nur mit der Prüfung einer Forderung beauftragten Sonderinsolvenzverwalters
Urteilsanalyse
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Ist der Sonderinsolvenzverwalter nur mit der Prüfung einer Forderung beauftragt, ist für die Bemessung des angemessenen Bruchteils der Regelvergütung neben der Frage, welchen Anteil die Forderungsprüfung an den mit der Regelvergütung abgegoltenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters ausmacht, nach einem Beschluss des BGH auch der tatsächlich erforderliche Aufwand einzubeziehen.

8. Apr 2021

Anmerkung von

Rechtsanwalt Dr. Pascal Schütze, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 07/2021 vom 01.04.2021

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Sachverhalt

Der über das Vermögen einer GmbH bestellte Insolvenzverwalter meldete in seiner Eigenschaft als Sachwalter einer anderen GmbH eine Forderung aus Anfechtung gegen die Schuldnerin in Höhe von 6.220.200 EUR zur Insolvenztabelle an. Das Insolvenzgericht beauftragte einen Sonderinsolvenzverwalter mit der Prüfung dieser Forderung, der die Forderung in Höhe von 5.720.200 EUR zur Tabelle feststellte und sie in Höhe von 500.000 EUR bestritt. Die für die Insolvenzgläubiger zu erwartende Quote beträgt voraussichtlich 53,45 %.

Der Sonderinsolvenzverwalter hat beantragt, seine Vergütung auf 26.602 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer, insgesamt 31.656 EUR festzusetzen. Das Insolvenzgericht hat die Vergütung auf insgesamt 1.190 EUR festgesetzt.

Das LG hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Sonderinsolvenzverwalters zurückgewiesen, allerdings die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters richte sich nach dem Beschwerdegericht bei der Prüfung der zur Aufnahme in die Insolvenztabelle angemeldeten Forderung aus Anfechtung, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich nicht schwierig gewesen sei, nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung. Die Regelvergütung betrage bei einer Berechnungsgrundlage von 3.324.697 EUR nach der für die angemeldete Forderung zu erwartenden Quote gem. § 2 Abs. 1 InsVV 94.244 EUR netto. Bei der alleinigen Prüfung einer Insolvenzforderung sei eine Mindestvergütung in Höhe von 1.000 EUR und damit 1% der sich ergebenden Regelvergütung (gerade noch) angemessen.

Der Neunte Zivilsenat des BGH hat die landgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Entscheidung

Das Beschwerdegericht gehe zwar von einer zutreffenden Berechnungsgrundlage für die Bemessung der Vergütung nach § 1 InsVV aus. Diese richte sich bei einem nur mit der Prüfung einer Insolvenzforderung beauftragten Sonderinsolvenzverwalter nach der für die angemeldete Forderung zu erwartenden Insolvenzquote, die zum Zeitpunkt der ersten Tätigkeit zu erwarten sei.

Allerdings erweise sich die Annahme des Beschwerdegerichts, im Streitfalle stelle die Mindestvergütung in Höhe von 1.000 EUR den angemessenen Bruchteil der Regelvergütung dar, als unzutreffend. Beziehe sich die Tätigkeit des Sonderinsolvenzverwalters nur auf einen Teil der Aufgaben des Insolvenzverwalters – wie hier eine einzelne Forderungsprüfung –, sei dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die Vergütung auf einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters festgesetzt werde. Die Festsetzung des angemessenen Bruchteils der Regelvergütung obliege dem Tatrichter nach den Umständen des Einzelfalles. Die Obergrenze bilde hier – auch wenn die Voraussetzungen des § 5 InsVV nicht vorlägen – die Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Hierbei sei von einer Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeit nach Nr. 2300 VV RVG auszugehen. Im Streitfall errechne sich beim Ansatz der 1,3-fachen Regelgebühr und einem Gegenstandswert von 3.324.697 EUR eine maximale Vergütung in Höhe von 15.292 EUR netto.

Die Bemessung des angemessenen Bruchteils einer Regelvergütung richte sich danach, welchen Anteil die Tätigkeit des Sonderinsolvenzverwalters an den Aufgaben des Insolvenzverwalters ausmache. Die Vergütung, welche der Sonderinsolvenzverwalter nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen könne, dürfe zwar nicht überschritten, wohl aber unterschritten werden. Neben der Frage, welchen Anteil die Forderungsprüfung an den mit der Regelvergütung abgegoltenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters ausmache, sei auch der tatsächlich erforderliche Aufwand einzubeziehen. Die Vergütung müsse in diesem Rahmen in einer dem Aufgabenumfang angemessenen Höhe festgesetzt werden.

Das Beschwerdegericht habe diesen Maßstab nicht hinreichend berücksichtigt. Die Regelvergütung betrage mit dem Beschwerdegericht 94.244 EUR netto. Der Maximalbetrag entspreche 16,22 % dieser Regelvergütung. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts spreche nichts dafür, dass der für die Tätigkeit des Sonderinsolvenzverwalters angemessene Bruchteil an der Regelvergütung diese Schwelle erreiche. Rechtsfehlerhaft sehe das Beschwerdegericht jedoch die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV als Ausgangspunkt für die Bemessung des Bruchteils an. Auch wenn der angemessene Bruchteil für die Tätigkeit eines nur mit einer Forderungsprüfung beauftragten Sonderinsolvenzverwalters im Verhältnis zu den Gesamtaufgaben eines Insolvenzverwalters regelmäßig nur eine geringe Höhe erreichen werde, bedeute dies nicht, dass er mit der Mindestvergütung (die keine Untergrenze bilde) gleichzusetzen sei. Dass die Forderungsprüfung weder tatsächlich noch rechtlich schwierig gewesen, kein besonderer Umfang der Tätigkeit des Sonderverwalters ersichtlich sei und dieser von der Tätigkeit des Insolvenzverwalters profitiert habe, begründe nur, dass die Forderungsprüfung keine Besonderheiten aufweise. Die (unterbliebene) Prüfung der angemessenen Vergütung des tatsächlich erforderlichen Aufwands sei damit nicht zu ersetzen. Das Beschwerdegericht habe – nach Zurückverweisung – bei der Bemessung der Vergütung daher die zutreffenden Maßstäbe zu berücksichtigen.

Praxishinweis

Der BGH bestätigt in dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zum Gegenstandswert einer vom Sonderinsolvenzverwalter zu prüfenden angemeldeten Forderung für die Geschäftsgebühr nach § 5 Abs. 1 InsVV (BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – IX ZB 29/18) auch für die Berechnungsgrundlage nach § 1 InsVV. Es kommt dabei nicht auf den letztlich zur Tabelle festgestellten Betrag, sondern auf die zu erwartende Befriedigungsquote im Zeitpunkt der ersten Tätigkeit an. Vor allem liefert der BGH dem Verwalter mit der an das Insolvenzgericht adressierten Vorgabe, auch auf den tatsächlich erforderlichen Aufwand der singulären Tätigkeit für die Festsetzung der Vergütung abzustellen, Argumente zur Rechtfertigung höherer Vergütungsanträge. Die Insolvenzgerichte werden ihre Entscheidungen zukünftig entsprechend zu begründen haben.

BGH, Beschluss vom 14.01.2021 - IX ZB 27/18 (LG Münster), BeckRS 2021, 2983