Urteilsanalyse
Beleidigungen als WEG-Streitigkeit
Urteilsanalyse
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Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nach Ansicht des BGH nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt wurde.

22. Nov 2023

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 23/2023 vom 17.11.2023

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Sachverhalt

Ein Wohnungseigentümer äußert gegenüber dem Gesellschafter einer Wohnungseigentümerin (eine GbR) auf dem Grundstücksvorplatz: „Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie Idiot.“ Mit einer späteren Klage verlangt der Beleidigte Ausgleich von Abmahnkosten in diesem Zusammenhang sowie die Unterlassung einer Behauptung in einem Anwaltsschreiben des Wohnungseigentümers. Fraglich ist, ob es sich um eine WEG-Streitigkeit i.S.v. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG handelt.

Entscheidung: Es liegt keine WEG-Streitigkeit vor!

§ 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG erfasse Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. So liege es nicht. Dies folge zwar nicht schon daraus, dass K kein Wohnungseigentümer sei. Denn § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG sei gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen (Hinweis auf BGH NJW-RR 2016, 463 Rn. 5 = FD-ZVR 2016, 376433 (Ls.)). Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG lägen aber in sachlicher Hinsicht nicht vor. Maßgeblich sei hier der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer (oder ihm gleichstehenden Personen) in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit stehe, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen sei (Hinweis ua auf BGH ZWE 2020, 300 Rn. 6). Hieran fehle es. Nehme ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handele es sich nämlich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit, wenn es um die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung gehe. Dies gelte unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung.

Praxishinweis

Zu den WEG-Streitigkeiten gehören gem. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG ua Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Diese Bestimmung ist weit auszulegen (s. auch BGH ZWE 2014, 211; BGH ZWE 2010, 84). Ausschlaggebend ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (s. nur BGH NZM 2017, 262 Rn. 7). Für Beleidigungen zieht der BGH den Kreis mit dieser Leitentscheidung sehr eng. Es wäre auch möglich gewesen, jede Beleidigung unter Wohnungseigentümern an jedem Ort, die Beleidigung eines Wohnungseigentümers durch den Verwalter bzw. umgekehrt sowie die Beleidigung des Verwalters durch einen Wohnungseigentümer den WEG-Gerichten zuzuweisen (Elzer IMR 2017, 81). Mit der BGH-Lösung, die auf den Beleidigungsort abstellt, lässt sich zwar leben. Sie ist aber nicht frei von Willkür, wenn beispielsweise ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer 10 Minuten vor Beginn der Versammlung und noch vor der Versammlungsstätte beleidigt.

BGH, Urteil vom 22.09.2023 - V ZR 254/22 (LG Hamburg), BeckRS 2023, 29419