Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 04/2022 vom 18.02.2022
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Sachverhalt
Nach Beendigung des Wohnraummietvertrages rechnet der Vermieter gegenüber den vormaligen Mietern die Nebenkosten ab. Die Mieter bestreiten einzelne Posten der Nebenkostenabrechnung, u.a. die Umlagefähigkeit von Hausmeisterkosten. Der Vermieter meint, es gebe einen Pauschalvertrag mit dem Hausmeister, was die Mieter bestreiten. Der Vermieter bietet den Mietern an, die entsprechenden Belege in seiner 65 km entfernten Wohnung einzusehen. Als die Mieter dies ablehnen, erhebt der Vermieter Leistungsklage.
Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg.
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erstattung des Nebenkostenabrechnungssaldos zu. Insofern leide die Nebenkostenabrechnung zunächst daran, dass ein falscher Nutzungszeitraum zugrunde gelegt worden sei; denn das Mietverhältnis habe nicht erst zum 09.08.2021, sondern bereits zum 31.07.2021 geendet. Zu der bestrittenen Umlagefähigkeit der Rauchmelder- und Hausmeisterkosten sowie dem bestrittenen Anfall dieser Kosten habe der Kläger weder schlüssig vorgetragen, noch tauglichen Beweis angeboten. Soweit der Kläger einen Pauschalvertrag mit einem Hausmeister behaupte, habe er weder den - bestrittenen - Vertrag noch die Zahlungsbelege vorgelegt. Das einfache Bestreiten der Beklagten sei zulässig. Der Kläger könne die Beklagten insbesondere nicht auf eine Belegeinsicht in seinen Räumlichkeiten verweisen. Denn zwischen der Wohnung der Beklagten und den Räumlichkeiten des Klägers liege eine Strecke von 65 km. Diese zwecks Belegprüfung zurückzulegen, sei den Beklagten nicht zumutbar. Für eine Entfernung von 65 km sei vor dem Hintergrund des verhältnismäßig geringen Aufwands, der mit der Anfertigung und Übersendung der Belegkopien für den Kläger verbunden sei, jedenfalls von der Unzumutbarkeit der Einsichtnahme in die Belege durch die Beklagten in den Räumlichkeiten des Klägers auszugehen. Da es dem Kläger nach zulässigem Bestreiten durch die Beklagten nicht gelungen sei, den tatsächlichen Anfall der in Rechnung gestellten Kosten zu belegen, sei die Klage nicht als (mangels Fälligkeit) derzeit unbegründet, sondern als unbegründet abzuweisen gewesen.
Praxishinweis
Grundsätzlich hat der (vormalige) Mieter keinen Anspruch auf Übersendung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung (BGH, Urteil vom 08.03.2006 - VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419). Führt jedoch der Verweis des Vermieters auf eine Einsichtnahme in die Belege zur Betriebskostenabrechnung im Ergebnis des jeweiligen Einzelfalls zu einer faktischen Vereitelung des Einsichtsrechts des – entfernt vom Aufbewahrungsort der Belege wohnenden – früheren Mieters, hat ihm der Vermieter unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben Belegkopien (gegen Kostenerstattung) zu übersenden (BGH, Beschluss vom 13.04.2010 - VIII ZR 80/09, NJW 2010, 2288).
Auf eine Einsichtnahme durch hierzu regelmäßig nur gegen Honorarabrede bereite Rechtsanwälte oder durch einen erklärtermaßen hierzu sich nicht in der Lage sehenden Mieterverein braucht sich ein solcher Mieter nicht verweisen zu lassen (BGH, aaO).
Wann es dem Mieter nicht mehr zugemutet werden kann (konkret: ab welcher Entfernung zum Einsichtsort) wird in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. In der vorgenannten BGH-Entscheidung ist der Mieter nach Portugal verzogen. In einem anderen Fall betrug die Entfernung über 400 km (LG Freiburg, Urteil vom 24.03.2011 − 3 S 348/10, NJW-RR 2011, 1096), aber auch bei einer Entfernung von lediglich 16 km hat das AG Dortmund (Urteil vom 03.02.2015 - 423 C 8722/14, BeckRS 2015, 6429) bereits eine Unzumutbarkeit festgestellt, wohingegen das AG Halle (Urteil vom 20.02.2014 – 93 C 2240/13, BeckRS 2014, 127532) eine Zumutbarkeit bei einer Entfernung von bis zu 30 km Luftlinie sieht.
Eine pauschale Betrachtung allein mit der Begründung einer Entfernung verbietet sich, da es stets um den konkreten Zeit- und Kostenaufwand des Mieters im Einzelfall geht, wobei auch Umstände eine Rolle spielen können, zB, dass der Einsichtsort nur mit eigenem Fahrzeug gut erreichbar ist und der Mieter keines besitzt oder der Mieter aufgrund seines Alters in der Mobilität eingeschränkt ist (vgl. Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer, 15. Auflage 2021, § 556 BGB Rn 521).