NJW-Editorial
Bekenntnis zu den Amtsgerichten
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Bis zu welchem Streitwert ist das Amtsgericht in Zivilsachen sachlich zuständig? Diese Frage kann jeder Examenskandidat beantworten: 5.000 Euro. Jahrzehntelang erschien diese Grenze unverrückbar. Jetzt ist endlich Bewegung in die Sache gekommen. Dr. Lars Niesler, Direktor des Amtsgerichts Mosbach, findet das in unserem Editorial nicht ambitioniert genug.

4. Apr 2024

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat einen Referentenentwurf zur Erhöhung des all­gemeinen Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte vorgelegt. Dieser soll auf 8.000 Euro steigen. Daneben soll durch eine streitwertunabhängige Zuweisung ­bestimmter Sachgebiete an die Amts- und an die Landgerichte dem Spezialisierungsgedanken weiter Rechnung getragen sowie eine effiziente Verfahrensführung unterstützt werden. So ist beabsichtigt, nachbarrechtliche Streitigkeiten streitwertunabhängig den Amtsgerichten, solche aus Heilbehandlungen, Vergabesachen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten den Landgerichten zuzuweisen. Hierdurch sollen die Amtsgerichte in Zivil­sachen und damit der Justizstandort Deutschland in der Fläche gestärkt werden – so die Begründung des BMJ.

Die Erhöhung der Streitwertgrenze ist längst überfällig. Die Inflation hätte eine Heraufsetzung der Grenze auf über 10.000 Euro gerechtfertigt. Dies war politisch nicht durchsetzbar. Immerhin unternimmt das BMJ – aufgefordert von der ­Justizministerkonferenz – einen Schritt in die richtige Richtung. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Eingangszahlen bei den Amtsgerichten signifikant erhöhen.

Genauso richtig ist die Entscheidung, Spezialzuständigkeiten neu zu ordnen. Nachbarrechtliche Streitigkeiten sind eine klassische Materie der Amtsgerichte. Den Streitig­keiten aus Heilbehandlungen, Vergabesachen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten hingegen weint kaum ein Amtsrichter eine Träne nach. Ob für die Amtsgerichte damit viel gewonnen ist, erscheint fraglich: Die Anzahl der hier in Rede stehenden Verfahren dürfte gering sein – gerade im ländlich geprägten Raum.

Der große Wurf ist der Gesetzentwurf dennoch nicht: Die Streitwertgrenze in Ver­fahren nach § 495a ZPO wird ebenso wenig angetastet wie die Beschwer für die ­Berufung. Das ist inkonsequent. Zudem hätte das BMJ die geplanten Änderungen in § 23 GVG zum Anlass nehmen können und sollen, die Norm zu entrümpeln: Fuhrleute und Auswanderungsexpedienten in Einschiffungshäfen sind ein Relikt aus längst vergangener Zeit.

Fazit: Der Gesetzentwurf ist richtig, aber nicht ambitioniert genug. Das Ziel des ­Gesetzgebers, die Stärkung der Amtsgerichte, wird damit kaum erreicht werden. Was es in erster Linie braucht, ist ein klares Bekenntnis zum Erhalt der Amtsgerichte in der Fläche. Sie sind der bürgernahe Zugang zum Recht!

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Dr. Lars Niesler ist Direktor des Amtsgerichts Mosbach.