Urteilsanalyse

Bei­trä­ge zur land­wirt­schaft­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung - Forst­wirt­schaft als „Hobby“
Urteilsanalyse
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Ei­gen­tü­mer einer klei­nen Wald­flä­che sind nach einem Ur­teil des LSG Bay­ern land­wirt­schaft­li­che Un­ter­neh­mer i.S.d. SGB VII auch wenn diese Forst­wirt­schaft von ihnen nur als „Hobby“ be­trie­ben wird.

13. Nov 2023

Rechts­an­walt Prof. Dr. Her­mann Pla­ge­mann, Pla­ge­mann Rechts­an­wäl­te Part­ner­schaft mbB, Frank­furt am Main

Aus beck-fach­dienst So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht 22/2023 vom 10.11.2023

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Sach­ver­halt

Der Klä­ger ist Ei­gen­tü­mer einer Wald­flä­che von 0,58 ha. Die Be­klag­te ver­an­lag­te das forst­wirt­schaft­li­che Un­ter­neh­men des Klä­gers und for­der­te einen Bei­trag für das Jahr 2019 i.H.v. 96,05 EUR, der sich aus einem Grund­bei­trag in der Min­dest­hö­he von 80,80 EUR sowie einem Ri­si­ko­bei­trag i.H.v. 15,25 EUR zu­sam­men­setzt. Mit sei­nem Wi­der­spruch macht der Klä­ger gel­tend, der Bei­trag sei un­ver­hält­nis­mä­ßig hoch und ver­sto­ße gegen Art. 3 GG. Die Ei­gen­tü­mer klei­ne­rer Wald­par­zel­len wür­den un­an­ge­mes­sen be­las­tet. Im Üb­ri­gen be­trei­be er die Forst­wirt­schaft als Hobby. Gegen den ab­leh­nen­den Wi­der­spruchs­be­scheid, mit dem die Bei­trags­be­rech­nung an­hand der Sat­zung nach­voll­zo­gen wird, erhob der Klä­ger Klage.

Das SG hat die Klage ab­ge­wie­sen. Die Sat­zungs­re­ge­lung ver­let­ze den Klä­ger nicht in sei­nem Grund­recht aus Art. 3 GG. Vom Grund­bei­trag wür­den Ver­wal­tungs­kos­ten, Rück­la­gen und Al­ters­rück­stel­lun­gen fi­nan­ziert. Nach­voll­zieh­bar sei, dass un­ab­hän­gig von der Größe eines Be­trie­bes für die Be­klag­te immer ein ge­wis­ses Min­dest­maß an Ver­wal­tungs­auf­wand mit einem Un­ter­neh­men ver­bun­den sei. Die­ser Ver­wal­tungs­auf­wand stei­ge nicht pro­por­tio­nal zur Größe eines Be­trie­bes, son­dern de­gres­siv. Mit sei­ner Be­ru­fung rügt der Klä­ger er­neut, er be­wirt­schaf­te die Wald­par­zel­le ohne Ge­winn­erzie­hungs­ab­sicht. Die Bei­trags­fest­set­zung ver­sto­ße gegen Art. 3 GG.

Ent­schei­dung

Das LSG weist die Be­ru­fung des Klä­gers als un­be­grün­det zu­rück. Die Bei­trags­fest­set­zung für das Ver­an­la­gungs­jahr 2019 ent­spricht der Sat­zung. Diese dif­fe­ren­ziert nach dem Ar­beits­be­darf, der nach der Flä­che in Hekt­ar zu be­rech­nen ist. Hinzu kom­men un­ter­schied­li­che Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren. Zur Bei­trags­be­rech­nung war das Un­fall­ri­si­ko durch die Bil­dung von Ri­si­ko­grup­pen zu be­rück­sich­ti­gen. Die Ri­si­ko­grup­pe „Forst“ trägt dem aus­rei­chend Rech­nung. Der für die Be­rech­nung des Bei­trags not­wen­di­ge He­be­satz ist durch den Vor­stand fest­ge­setzt wor­den, eben­so der Ri­si­ko­grup­pen­fak­tor. Diese Sat­zungs­re­ge­lung ver­stö­ßt nicht gegen hö­her­ran­gi­ges Recht, son­dern be­rück­sich­tigt die Ma­ß­ga­ben des § 182 SGB VII, der als Be­rech­nungs­grund­la­ge unter an­de­rem das Um­la­ge­soll, die Flä­che, den Ar­beits­be­darf oder einen an­de­ren ver­gleich­ba­ren Maß­stab und die Er­he­bung eines Min­dest- oder Grund­bei­trags durch Sat­zung zu­lässt.

Diese Sat­zungs­re­ge­lung ver­stö­ßt nicht gegen den Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit in Form des Über­ma­ß­ver­bots, auch nicht, so­weit es um den Grund­bei­trag geht. Die­ser soll einen fi­nan­zi­el­len Ba­sis­auf­wand, den jedes Mit­glied der land­wirt­schaft­li­chen BG un­ab­hän­gig von der Be­triebs­grö­ße und der Art der Be­wirt­schaf­tung ver­ur­sacht, durch ein für alle Ver­si­cher­ten glei­chen oder einen nach Ver­si­cher­ten­grup­pen ge­staf­fel­ten So­ckel­be­trag ab­de­cken.

Ab­schlie­ßend ver­neint das LSG einen Ver­stoß gegen Art. 3 GG. Es han­de­le sich hier um „tech­ni­sche Re­ge­lun­gen“. Diese knüp­fen nicht an per­so­nen­ge­bun­de­ne Merk­ma­le an, so dass nur eine Will­kür­prü­fung „auf der un­ters­ten Stufe des Art. 3 Abs. 1 GG“ in Be­tracht kommt. Es wird le­dig­lich an die Größe des forst­wirt­schaft­li­chen Un­ter­neh­mens an­ge­knüpft und keine wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung vor­ge­nom­men.

Pra­xis­hin­weis

1. Das Ge­richt hat die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen. Es be­wegt sich im Rah­men der in der Grund­satz­ent­schei­dung des BSG vom 07.12.2004 (BeckRS 2005, 41489) auf­ge­lis­te­ten Grund­sät­ze.

2. Das LSG be­strei­tet nicht, dass der Klä­ger diese Wald­flä­che nur als „Hobby“ be­trach­tet. Schon nach sei­ner Größe kommt sie wohl kaum als „Jagd­grün­de“ in Be­tracht oder auch als Nutz­flä­che etc. Mag sein, dass diese klei­ne Wald­flä­che kei­ner­lei Ge­win­ne ab­wirft und auch nicht mit Ge­winn­erzie­lungs­ab­sicht „be­wirt­schaf­tet“ wird. Das än­dert nichts daran, dass der Ei­gen­tü­mer „land­wirt­schaft­li­cher Un­ter­neh­mer“ i.S.d. SGB VII ist, der im Üb­ri­gen auch an dem Un­fall­ver­si­che­rungs­schutz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII teil hat (s. dazu auch BSG, BeckRs 2018, 8576 und LSG Baden-Würt­tem­berg, BeckRS 2023, 27977).

LSG Bay­ern, Ur­teil vom 27.01.2023 – L 1 U 236/22, BeckRS 2023, 4017