Urteilsanalyse
Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus der Abfindung für nachehelichen Unterhalt
Urteilsanalyse
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Die Abfindung für nachehelichen Unterhalt ist - so das BSG - bei der Berechnung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung gem. § 240 SGB V zu berücksichtigen. Nach § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ist die Abfindung auf 12 Beitragsmonate zu verteilen. 

7. Feb 2023

Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 02/2023 vom 03.02.2023

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Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Beitragserhebung zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin war bis zu ihrer Scheidung familienversichert und ist seitdem freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Der geschiedene Ehegatte hat für die Ehe nach einer Trennungs- und Scheidungsvereinbarung zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt eine einmalige Abfindung i.H.v. 120.000 EUR zu zahlen. Die Beklagte setzte hierauf Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 774,30 EUR monatlich fest. Dabei legte sie nach § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler für 12 Beitragsmonate eine monatliche Einnahme von jeweils 10.000 EUR bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 4.350 EUR zugrunde.

Den unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.01.2015 (BeckRS 2015, 69761) mit dem Ziel erhobenen Widerspruch, die Unterhaltsabfindung entsprechend den Versorgungsbezügen auf 120 Beitragsmonate zu verteilen, wies die Beklagte zurück. Klage und Berufung dagegen waren erfolglos. Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 240 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 3 und 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Bei der nachehelichen Unterhaltsabfindung handle es sich nicht um eine einmalige Einnahme. Angesichts der Ehedauer von 26 Jahren hätte sie wenigstens für die Dauer von 10 Jahren Unterhalt beanspruchen können.

Entscheidung

Das BSG weist die Revision als unbegründet zurück. Unterhaltsleistungen sind ungeachtet ihrer Zahlungsweise für freiwillige Mitglieder der GKV grundsätzlich beitragspflichtig. Die Beiträge haben die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Als beitragspflichtige Einnahmen sind nicht nur das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen und die Rente zu berücksichtigen, sondern alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können.

Die Dauer der Beitragspflicht einmaliger Unterhaltsabfindungen bestimmt sich nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Danach sind einmalige beitragspflichtige Einnahmen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung oder des Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des zu erwartenden Betrages für 12 Monate zuzuordnen. Diese Regelung entspricht den gesetzlichen Vorgaben und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der parlamentarische Gesetzgeber hat alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Dies gilt auch für die Berechnung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung. Das verstößt nicht gegen das Rechtsstaatprinzip und auch nicht gegen den Gleichheitssatz.

Praxishinweis

1. Die Klägerin profitiert von dieser Berechnungsweise, weil die Abfindung nicht vollständig der Beitragspflicht unterworfen wird, sondern mit weniger als 50 %, da die Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen ist.

2. Von besonderem Interesse sind die Ausführungen zum Verfassungsprinzip der Gleichbehandlung gem. Art. 3 GG. Hier prüft das BSG, ob z.B. Nachzahlungen aus Renten oder von Versorgungsbezügen als Maßstab herangezogen werden sollten. Das Gericht betont dabei, dass es bei nachehelichen Unterhaltsabfindungen regelmäßig an einem anknüpfbaren vorhergehenden laufenden Unterhaltsanspruch fehlt, so dass man die Abfindung nicht konkret bestimmten Zeiträumen zuordnen kann. Die Verteilung nicht regelmäßig wiederkehrender Versorgungsbezüge auf 120 Beitragsmonate ist ebenfalls sachlich gerechtfertigt. Der Spitzenverband kommt mit der Regelung in den Beitragsverfahrensgrundsätzen damit dem gesetzlichen Regelungsauftrag nach. Das Gebot der Belastungsgleichheit sei nicht verletzt.

3. Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 27.07.2022 (BeckRS 2022, 33932) entschieden, dass bei der Berechnung von Beiträgen für die freiwillige Krankenversicherung Gehaltsfortzahlungen auch nach der Insolvenz zu berücksichtigen sind, unbeschadet der Tatsache, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Insolvenzgeld an den Insolvenzverwalter abgetreten hat.

BSG, Urteil vom 18.10.2022 - B 12 KR 6/20 R, BeckRS 2022, 38285