Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 16/2021 vom 12.08.2021
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Die Klägerin war mit der Streithelferin durch Gewerbemietvertrag über Praxisräume verbunden. Die monatliche Bruttomiete betrug 1.545 EUR. Der Mietvertrag enthielt folgende „(Nachfolge-)Regelung“:
„Sollte einer der Mieter vorzeitig sterben, ist der Vermieter verpflichtet, das Mietverhältnis auch mit einem anderen Arzt oder Zahnarzt anstelle des verstorbenen Mieters fortzusetzen. Das Recht, einen Arzt bzw. einen Zahnarzt als Nachfolgemieter zu bestimmen, steht dem jeweiligen Mieter auch dann zu, wenn er nicht mehr in der Lage ist, aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen die Praxis weiter zu führen.“
Die Streithelferin schloss mit der Beklagten einen Praxisübernahmevertrag, wonach die Beklagte u.a. in den Mietvertrag eintrat. Im Anschluss bat die Beklagte die Klägerin um Mitteilung der Bankverbindung, um die Miete direkt an sie zahlen zu können.
Im März 2018 wies die Klägerin die Streithelferin darauf hin, dass sie nur geeignete Nachmieter, über die sie aufzuklären sei, für eine Vertragsfortführung akzeptiere. Die Beklagte habe jedoch auf Fragen zum Wohnort und zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen keine Informationen erteilt. Daher lehne man eine Vertragsfortsetzung mit ihr ab. Für weitere Verhandlungen und Gespräche sei man aufgeschlossen.
Im Juli 2018 stellte sich die Klägerin der Beklagten als Vermieterin vor und bat um Überlassung des zwischen Streithelferin und Beklagten geschlossenen Nachmietervertrages.
Die Beklagte nahm ihre ärztliche Tätigkeit in den streitbefangenen Räumen im April 2018 auf und zahlte die Miete ab April 2018 bis einschließlich August 2018 an die Streithelferin, welche im Auftrag der Beklagten diese an die Klägerin weiterleitete.
Die Beklagte nutzte die Räume bis Ende August; die Schlüssel zu den Praxisräumen erhielt die Klägerin Ende September 2018.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage die Zahlung der Septembermiete. Die Beklagte meint, sie sei nicht wirksam in das Mietverhältnis eingetreten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Entscheidung
Die Berufung hat Erfolg.
Die Klägerin habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Septembermiete, da die Beklagte wirksam in den Mietvertrag ab dem 01.04.20218 eingetreten sei.
Die vertragliche „(Nachfolge-)Regelung“ stelle eine sog. „echte Nachmieterklausel“ dar, der zufolge die Streithelferin berechtigt gewesen sei, die Beklagte als Nachmieterin zu benennen. Die Klägerin sei demnach verpflichtet, das Mietverhältnis mit der Nachmieterin fortzuführen. Auf ihre Zustimmung komme es nicht an. Zudem habe die Klägerin den Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis nicht endgültig abgelehnt, sondern lediglich weitere Informationen gefordert. Nach Einzug der Beklagten habe die Klägerin auch die Miete erhalten und daher konkludent zu verstehen gegeben, dass sie mit dem Mieteintritt einverstanden sei. Schließlich habe sich die Klägerin im Juli 2018 auch ausdrücklich gegenüber der Beklagten als Vermieterin vorgestellt.
Die Voraussetzung für die Benennung der Beklagten, einer Ärztin, als Nachmieterin gemäß der Nachfolgeklausel im Mietvertrag habe ebenfalls vorgelegen: Die Streithelferin habe in den Ruhestand gehen wollen. Ob dies aus gesundheitlichen Gründen der Fall gewesen sei, könne dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls sei dieses Motiv ein sonstiger Grund im Sinne dieser Regelung. Diese Klausel sei weit auszulegen und erfasse nach ihrem Zweck alle Gründe, nicht nur gesundheitliche, die die Aufgabe des eigenen Praxisbetriebes begründeten.
Praxishinweis
Dem Urteil ist zuzustimmen.
Die Möglichkeit, einen Ersatzmieter zu stellen, kann grds. vollständig ausgeschlossen werden, da der Vermieter frei entscheiden kann, mit wem er in vertragliche Beziehungen tritt. Eine solche Klausel ist aber stets dahingehend auszulegen, dass sie das Recht eines langfristig gebundenen Mieters nicht ausschließt, das Mietverhältnis ausnahmsweise aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu kündigen, wenn seine Interessen an der vorzeitigen Beendigung die Interessen des Vermieters am Fortbestand des Mietverhältnisses und dessen vertragsmäßiger Erfüllung erheblich überwiegen und der Mieter einen geeigneten und dem Vermieter zumutbaren Ersatzmieter stellt (BGH, Urteil vom 29.04.1992 - XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032).
In der Praxis haben sich zwei Varianten herausgebildet, die vor dem vorgenannten Hintergrund unbedenklich sind: sog. echt Nachfolgeklauseln gestatten dem Mieter einen geeigneten Ersatzmieter zu stellen, der in den Mietvertrag eintritt und verpflichten den Vermieter, diesen ihm zumutbaren Ersatzmieter in den Mietervertrag eintreten zu lassen (BGH, Urteil vom 24.05.1976 – VIII ZR 301/74, BeckRS 1976, 31122296). Sog. unechte Nachfolgeklauseln verpflichten hingegen den Vermieter nicht, räumen aber dem Mieter ein außerordentliches Kündigungsrecht ein, etwa wenn der Vermieter sich vorbehält, den Ersatzmieter selbst zu bestimmen (OLG Celle, Urteil vom 25.07.2001 – 2 U 49/01, BeckRS 2001, 30196137). Im Zweifel liegt eine echte Nachfolgeklausel vor (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.06.1991 - 11 U 3/91, NJW-RR 1992, 143).
Ein etwaiges Zustimmungserfordernis des Vermieters bezieht sich bei echten Nachfolgeklauseln lediglich auf die Frage der Zumutbarkeit des Ersatzmieters für den Vermieter, mithin auf seine Bonität und Seriosität. Liegen diese Voraussetzungen – wie vorliegend – vor, tritt der Ersatzmieter in den Mietvertrag ein.
LG Dresden, Urteil vom 07.08.2020 - 3 S 359/19, BeckRS 2020, 37770