Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 3/2024 vom 15.02.2024
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StVG § 3 I; FeV §§ 11 VIII, 14 I 2, 46 I; Anlage 4 zur FeV Nr. 9.1
Sachverhalt
Das Jugendgericht entzog dem Beschwerdeführer nach Amphetaminkonsum wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln die Fahrerlaubnis. Gute zwei Jahre später beantragte der Mann die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis. Nachdem er ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte, erhielt er die Fahrerlaubnis der Klassen A2 und B.
Abermals zwei Jahre später wurde ein Verfahren gegen ihn wegen vorsätzlicher unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Die Behörde forderte erneut ein Gutachten, nunmehr zu der Frage, ob er Betäubungsmittel im Sinn des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinn des StVG einnehme, die seine Fahreignung in Frage stellten. Das vorgelegte Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller früher Betäubungsmittel eingenommen habe, jedoch keine Anhaltspunkte für einen anhaltenden und aktuellen Konsum bestünden. Andere psychoaktiv wirkende Stoffe habe der Antragsteller nicht eingenommen und nehme sie auch nicht ein.
Abermals einige Jahre später teilte eine Grenzpolizeistation der Führerscheinbehörde mit, dass im Rahmen einer verdachtsunabhängigen Personenkontrolle bei dem Antragsteller 0,4 g Amphetamin aufgefunden wurden. Die Staatsanwaltschaft sah gemäß § 31a Abs. 1 BtMG wegen der geringen Menge von der Strafverfolgung ab.
Und wieder verlangte die Behörde ein Gutachten: Es sollte zu der Frage Stellung nehmen, ob der Antragsteller Betäubungsmittel einnimmt oder eingenommen hat und ob dies seine Fahreignung in Frage stellt. In dem Gutachten wird ausgeführt, dass der Antragsteller bei der Begutachtung den festgestellten Sachverhalt zwar eingeräumt, zu dem Drogenbesitz als solchem aber keine weiteren Angaben gemacht habe. Der Antragsteller lebe seit 2011 drogenabstinent. Die durchgeführten Laboruntersuchungen hätten keinen Hinweis auf Drogenkonsum erbracht. Wie der Antragsteller in den Besitz der 0,4 g Amphetamin gekommen sei, sei unklar geblieben.
In der Folge entzog die Behörde die Fahrerlaubnis und ordnete Sofortvollzug an. Der Antragsteller legte Widerspruch ein und beantragte beim VG vorläufigen Rechtschutz gemäß § 80 VwGO.
Rechtliche Wertung
Diesen Antrag lehnte das VG ab. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei formell und materiell rechtmäßig. Sie sei schon deshalb rechtmäßig, weil der Antragsteller an der Aufklärung des Sachverhalts nicht mitgewirkt habe. Er habe nicht erklärt, woher die Drogen gekommen seien.
Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller Beschwerde ein, die jetzt der als unbegründet zurückgewiesen hat. Die Verwaltungsbehörde dürfe nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigere, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe. Eine Weigerung im Sinne dieser Vorschrift liege auch vor, wenn die Untersuchung teilweise verweigert oder unmöglich gemacht werde, in dem der Betroffene unzureichend mitwirke. Das sei hier der Fall.
Soweit der Betroffene aufgrund eines Verhaltens der Gutachterin (die ihn angeblich zuvor auf ein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen hat) einem Rechtsirrtum unterlegen sein sollte, der zu einem Mangel des Gutachtens geführt hat, und soweit die Weigerung der Begutachtungsstelle, das mangelhafte Gutachten nachzubessern, die Behörde veranlasst hat, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV anzuwenden, ist dies dem Verantwortungsbereich des Antragstellers und dem werkvertraglichen Verhältnis zwischen ihm und der Begutachtungsstelle zuzuordnen.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist für die Praxis sehr wesentlich. Die Entscheidungsgründe, die hier nur sehr knapp skizziert wurden, sind in dem Beschluss eingehend dargestellt. Für ähnliche Verfahren kann nur empfohlen werden, sich diesen Beschluss immer gegenwärtig zu halten.
VGH München, Beschluss vom 15.01.2024 – 11 CS 23.1639, BeckRS 2024, 631
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