Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 06/2022 vom 23.03.2023
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Sachverhalt
In einem Streit um eine Provisionszahlung hatte das LG der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten wies das OLG nach einem vorherigen Hinweis durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dagegen legte die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde ein. Einer der für die Entscheidung darüber zuständigen BGH-Richter zeigte an, dass seine Ehefrau an der angefochtenen OLG-Entscheidung mitgewirkt hatte, und lehnte sich selbst ab. Auch die Klägerin lehnte ihn wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, die Beklagte sah ebenfalls einen Befangenheitsgrund gegeben.
Entscheidung: Ehefrau hat nach außen erkennbar die Verantwortung für angefochtene Entscheidung mit übernommen
Der BGH hat die Selbstablehnung des Richters und das Ablehnungsgesuch der Klägerin für begründet erklärt. Nach seiner Rechtsprechung stelle zwar die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Es könne aber den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters begründen, wenn seine Ehefrau nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt, sondern diese als Einzelrichterin allein verantwortet habe. Denn aus Sicht der ablehnenden Partei könne die Alleinverantwortung der Ehefrau des abgelehnten Richters für das angefochtene Urteil zu einer Solidarisierungsneigung des abgelehnten Richters führen. Bei einer Kollegialentscheidung sei dies nicht in gleichem Maße zu erwarten.
Hier habe die Ehefrau des Richters BGH-Richters an einem die Berufung der Beklagten zurückweisenden Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mitgewirkt, der nach der gesetzlichen Regelung nur einstimmig gefasst werden könne. Sie habe damit in nach außen erkennbarer Weise die Verantwortung für die angefochtene Entscheidung mit übernommen. Dieser Fall sei nicht anders zu beurteilen als der Fall, dass der Ehegatte des abgelehnten Richters die angefochtene Entscheidung als Einzelrichter getroffen habe. Ein solcher Sachverhalt begründe ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit im Sinn des § 42 Abs. 2 ZPO. Nicht nur die in der Berufungsinstanz unterlegene Beklagte, auch die obsiegende Klägerin habe Grund zu Misstrauen. Denn sie könne die nachvollziehbare Besorgnis hegen, dass der abgelehnte Richter in dem Bestreben, seine Unvoreingenommenheit zu zeigen, geneigt sein könnte, dem Begehren der Beklagten näherzutreten.
Praxishinweis
Der BGH hatte bereits entschieden, dass zwar die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an einer angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren darstellt, dass allerdings die Besorgnis der Befangenheit im Sinn von § 42 Abs. 2 ZPO begründet ist, wenn der abgelehnte Richter als Mitglied des Berufungsgerichts über die Berufung der ihn ablehnenden Partei gegen ein durch seine Ehefrau als Einzelrichterin ergangenes Urteil zu entscheiden hat (BGH, Beschluss vom 27.02.2020 - III ZB 61/19, NJW-RR 2020, 633). In der berichteten Entscheidung führt der BGH diesen Ansatz weiter und stellt die Entscheidung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO der Entscheidung als Einzelrichter gleich (vgl. auch Göertz in Anders/Gehle, ZPO 81. Aufl. 2023, § 42 ZPO Rn. 20 Strichwort Ehegatte).
BGH, Beschluss vom 09.02.2023 - I ZR 142/22 (OLG Hamburg), BeckRS 2023, 3480