Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 18/2022 vom 08.09.2022
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Sachverhalt
Der Antragsteller erhob Klage gegen einen Grunderwerbssteuerbescheid und stellte zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Prozessbevollmächtigte war eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, zu der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gehörten, von denen einer zusätzlich Rechtsanwalt war. Signiert und unterzeichnet war das Schreiben der Prozessbevollmächtigten von dem Anwalt. Auf den Hinweis des Gerichts, dass der Antrag unzulässig sei, weil der Antrag nicht in elektronischer Form gestellt worden sei, wandte die Prozessbevollmächtigte ein, dass nicht der Unterzeichner persönlich, sondern die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Prozessbevollmächtigte auftrete. Diese sei nicht verpflichtet, das beA zu nutzen.
Entscheidung: Zulassung der konkret handelnden Person als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt entscheidend
Das FG erachtete den Antrag für unzulässig.
Der Antrag sei entgegen § 52d FGO nicht in elektronischer Form durch den auch als Rechtsanwalt zugelassenen Wirtschaftsprüfer gestellt worden. Darauf, dass eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prozessbevollmächtigt gewesen sei, komme es nicht an. Der Unterzeichner der Antragsschrift sei Verpflichteter im Sinn des § 52d FGO, denn die Norm knüpfe allein an dessen Status (auch) als Rechtsanwalt an. Bereits der Wortlaut des § 52d Satz 1 FGO, der hinsichtlich der Nutzungspflicht auf «Rechtsanwälte» Bezug nehme und keinerlei zusätzliche Anforderung statuiere, spreche dafür, dass keine über die Zulassung der konkret handelnden Person als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt hinausgehenden Anforderungen an die konkrete Benutzungspflicht zu stellen sind.
Für dieses Verständnis spreche auch die historische Auslegung der Vorschrift, die erkennbar auf eine zunehmende Erweiterung des Kreises verpflichteter Personen zur elektronischen Nutzung gerichtet sei und hierbei «Rechtsanwälte» als erste Gruppe der «professionellen Einreicher» in den Kreis der Nutzungspflicht einbezogen habe, ohne hierbei nach der Organisationsform (Einzelunternehmen, Mitglied einer ausschließlich aus Rechtsanwälten bestehende Berufsausübungsgemeinschaft, Mitglied einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft) zu unterscheiden. Auch die systematische Auslegung spreche für eine rein auf die Person der konkreten Einreicherin/des konkreten Einreichers der Schriftsätze abstellende Interpretation des § 52d Satz 1 FGO.
Schließlich sprächen teleologische Gründe dafür, die Nutzungspflicht des § 52d Satz 1 FGO auf alle Personen mit Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Organisationsform zu erstrecken. Anderenfalls würde die gesetzgeberisch intendierte Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs circa zehn Jahre nach der Gesetzesreform dadurch unterlaufen werden können, dass die konkret handelnden, Anträge stellenden oder Schriftsätze einreichenden natürlichen Personen zwar aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (zwingend) über ein beA verfügten, das sie auch im finanzgerichtlichen Verfahren nutzen und die Finanzgerichte damit vom Digitalisierungsaufwand entlassen könnten, aber durch ihre Mitgliedschaft in einer (interprofessionellen) Berufsgemeinschaft von einer elektronischen Einreichung entbunden wären.
Praxishinweis
Das beA birgt eine ganze Reihe von Haftungsrisiken. Das FG Rheinland-Pfalz betont in der berichteten Entscheidung den beA-Nutzungszwang für bestimmende Schriftsätze eines Rechtsanwalts auch bei Bevollmächtigung einer interprofessionellen Sozietät. Ferner müssen auch die hohen Sorgfaltsanforderungen an den Anwalt bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments beachtet werden (BGH, Beschluss vom 08.03.2022 - VI ZB 78/21, BeckRS 2022, 7011 m. Anm. Mayer FD-RVG 2022, 448033).
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.07.2022 - 4 V 1340/22, BeckRS 2022, 19881