Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Stuttgart
Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 29/2020 vom 23.07.2020
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Sachverhalt
Die Klägerin ist für die Beklagte – eine Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts – seit 2007 als Redakteurin tätig. Zunächst kam sie als Online-Redakteurin auf der Grundlage befristeter Verträge zum Einsatz. Seit Juli 2011 befindet sie sich in einem unbefristeten Vertragsverhältnis, nach dem sie „bis auf weiteres“ als freie Mitarbeiterin gemäß einem bei der Beklagten geltenden Tarifvertrag beschäftigt wird und eine Tätigkeit als „Redakteurin mit besonderer Verantwortung“ ausübt.
Die Klägerin hat in den vorangegangenen Instanzen u.a. unter Hinweis auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Entgeltdiskriminierung verschiedene Zahlungs- und Entschädigungsansprüche verfolgt und auch ihre Beschäftigung als Arbeitnehmerin festgestellt wissen wollen. Diese Klage hatte weder beim ArbG noch beim LAG Erfolg. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat das BAG (9 AZN 504/19) als unzulässig verworfen. Das Verfahren war insoweit rechtskräftig abgeschlossen. Das LAG hatte auch die gegen die Beklagte gerichteten Klageanträge auf Erteilung der Auskunft nach § 10 EntgTranspG über (1) die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und (2) über das Vergleichsentgelt abgewiesen. Insoweit hatte es aber die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 II ArbGG zugelassen.
Entscheidung
Nach Auffassung des BAG, dessen Entscheidung bisher nur in Form der Pressemitteilung (FD-ArbR 2020, 430172) vorliegt, kann die Klägerin von der Beklagten nach § 10 I EntgTranspG Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen, da sie als freie Mitarbeiterin der beklagten „Arbeitnehmerin“ i.S.v. § 5 II Nr. 1 EntgTranspG und damit Beschäftigte i.S.v. § 10 I Nr. 1 EntgTranspG sei. Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 II Nr. 1 EntgTranspG seien unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen, da es andernfalls an einer Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit im deutschen Recht fehlen würde. Eine – zwingend erforderliche – ausreichende Umsetzung sei bislang weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch ansonsten erfolgt. Erst das Entgelttransparenzgesetz enthalte Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet seien. Ob die Klägerin gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichsentgelt habe, könne jedoch aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Insoweit sei die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen.
Praxishinweis
§ 10 EntgTranspG i.V.m. §§ 11 bis 16 EntgTranspG sehen für Beschäftigte einen Auskunftsanspruch über den auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Entgeltes vor: Voraussetzung ist, dass die Beschäftigten in einem Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten arbeiten und in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen, die von einer Vergleichsgruppe mit mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird.
Fraglich war dabei von Anfang an, ob sich auf diesen Anspruch auch freie Mitarbeiter berufen können, bei denen es sich um arbeitnehmerähnliche Personen handelt, die also weitgehend für einen Auftraggeber handeln und von diesem wirtschaftlich abhängig sind. Die Zweifelsfrage rührt daher, dass das Gesetz – anders als noch in § 5 II Nr. 2 des Referentenentwurfs vorgesehen – nicht für arbeitnehmerähnliche Personen gelten soll. Die in der Literatur umstrittene Frage hat das BAG nun dahingehend entschieden, dass auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurückzugreifen sei. Damit wird man auch Fremd- und Minderheitsgesellschafter/-geschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer i.S.v. § 5 II Nr. 1 EntgTranspG verstehen müssen. Das wird aber kaum praktische Bedeutung haben, denn es ist nur schwer vorstellbar, dass ein Geschäftsführer Auskunft über das Vergleichsentgelt von mindestens sechs Geschäftsführern des anderen Geschlechts verlangt.
BAG, Urteil vom 25.06.2020 - 8 AZR 145/19 (LAG Berlin-Brandenburg)