Bericht aus Brüssel

Konsultation zur Vorratsdatenspeicherung
Bericht aus Brüssel
jamesteohart/adobe

Seit Jahren beschäftigt sich der EuGH mit der Thematik, die EU-High-Level-Gruppe „Datenschutz und Strafverfolgung“ hatte es in ihren vor etwa einem Jahr erschienenen Empfehlungen vorgeschlagen: Nun befasst sich die EU-Kommission eingehend mit einer möglichen Harmonisierung der Vorratsdatenspeicherung und hat dazu eine Konsultation durchgeführt. Leider wird diese den Anforderungen an eine objektive Meinungsfindung nicht gerecht.

23. Sep 2025

Die Kommission begründet ihr Vorgehen mit dem steigenden Rückzug Krimineller in die Welt der Daten. Demzufolge hätten heute beinahe alle Straftaten eine digitale Komponente, mehr als 85 % der Ermittlungsverfahren benötigten Zugriff auf digitale Beweismittel. Hinzu kämen Unterschiede in den Regulierungsrahmen der Mitgliedstaaten, welche in mehreren Ländern agierende Diensteanbieter behinderten und eine effektive Bekämpfung von Straftaten erschwerten. In ihrer EU-Strategie für die innere Sicherheit „ProtectEU“ kündigte die Kommission im Frühling ihr weiteres Vorgehen und eine Bewertung möglicher Vorschriften für eine Unionsregelung zur Vorratsdatenspeicherung an. Nun wurde konsultiert.

Tendenziöser Fragebogen

Dass es aus Sicht der Strafverfolger Reformbedarf gibt, erkennt auch die europäische Anwaltschaft an, jedoch müssen erhebliche Grundrechtseingriffe verhältnismäßig und stets mit hinreichenden Garantien gegen Missbrauch ausgestattet sein. Höchst problematisch ist schon der Ansatz, welchen die Kommission bei ihrem Fragebogen verfolgte. So sind die Fragen nämlich derart tendenziös formuliert, dass sich beispielsweise der CCBE geweigert hat, ihn zu beantworten. Übersandt wurde stattdessen ein kritisches Positionspapier. Sehr weit gefasste Fragen in Verbindung mit beschränkten Antwortmöglichkeiten oder gar Ja-/Nein-Antworten lassen keinen Spielraum für eine nuancierte Betrachtung dieses so komplexen Themas, Fragen über Risiken mit einer Reihe von Antwortmöglichkeiten lassen technisch nicht die Auswahl aller vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zu, und bei der Frage nach Risiken für Grundrechte fehlen das Recht auf ein faires Verfahren und die (anwaltliche) Verschwiegenheit. Erschwerend hinzu kommt, dass die Konsultation zu diesem derart wichtigen Thema im Sommer durchgeführt wurde, während traditionell nicht nur die Beamten in den Institutionen, sondern auch zahlreiche Expertinnen und Experten zum Thema ihre jährliche Haupturlaubspause eingelegt haben. Schon im Vorfeld war auffällig, wie schnell beispielsweise die Veröffentlichung der Strategie „ProtectEU“ auf ihre vorbereitende Konsultation gefolgt ist. Ob das dort eingegangene Feedback bei ihrer Erarbeitung tatsächlich umfassend berücksichtigt wurde, mag man bezweifeln.

Anwaltschaft meldet Bedenken an

Seitens der Anwaltschaft bestehen massive Bedenken hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung. Von einer Regulierung primär betroffen wären nicht nur Kommunikationsmetadaten, sondern sekundär häufig auch die Korrespondenz der Anwaltschaft mit Mandantinnen und Mandanten, Gerichten, anderen Anwälten oder Ermittlungsbehörden. Ein Verbot von direkt gegen Anwälte gerichteten Maßnahmen oder eine nachträglich Aussonderungspflicht anwaltlicher Daten wäre als Schutz nicht effektiv, denn um die Daten als anwaltlich zu identifizieren, muss bereits eine Auseinandersetzung damit stattgefunden haben. Eine Technologie, die von der Verschwiegenheit umfasste Daten von anderen unterscheiden kann, gibt es nicht. Dies könnte Bürger davon abhalten, Rechtsrat oder anwaltliche Vertretung in Anspruch zu nehmen. Die Anwaltschaft könnte ihrem rechtsstaatlichen Auftrag nicht mehr nachkommen, der Zugang zum Recht wäre gefährdet. Sind die Daten erstmal erhoben, stellt sich erfahrungsgemäß das Problem ihrer potenziellen Verwendung zu anderen Zwecken, als zunächst vorgesehen. Es müssen effektive technisch-organisatorische Schutzmaßnahmen und Kontrollen eingeführt werden. Jedoch besteht auch dann noch das Risiko einer Gesetzesänderung, so dass hier ein „Dammbruch“ verhindert werden muss. Wirksamer und weniger eingriffsintensiv – wenn auch nicht ganz unproblematisch – wäre ein Quick-Freeze-Verfahren.

Die Rückmeldungen zum Fragebogen sollen in ein Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission einfließen, auf dessen Grundlage dann ein Vorschlag für einen entsprechenden Harmonisierungsrechtsakt erarbeitet wird; es soll im ersten Quartal 2026 veröffentlicht werden. Zu hoffen bleibt, dass sich die Bedenken der Anwaltschaft darin wiederfinden.

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Rechtsanwältin Astrid Gamisch, LL.M., ist Geschäftsführerin im Brüsseler Büro der BRAK.