Bericht aus Brüssel
Anwaltschaft und Lieferkette
Bericht aus Brüssel
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Ein Trilog geht zu Ende, wenn eine politische Einigung getroffen wurde und damit alles Wesentliche entschieden ist. So möchte man jedenfalls meinen. Dass es auch anders sein kann, demonstrierte in den letzten Wochen des vergangenen Jahres der Trilog zur EU-Lieferkettenrichtlinie.

6. Feb 2024

Das EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligance Directive, kurz CSDDD) soll Unternehmen ab einer bestimmten Mindestgröße verpflichten, spezielle Sorgfaltspflichten einzuhalten, damit Nachhaltigkeitsstandards in der Aktivitäts- bzw. Wertschöpfungskette erfüllt werden. Dies erinnert an das deutsche Lieferkettengesetz, geht in manchen Punkten jedoch erheblich über dieses hinaus. Beispielsweise sollen schon deutlich kleinere Unternehmen – ab 500 Mitarbeitern bei einem Mindestumsatz von 150 Mio. EUR pro Jahr anstelle von 3.000 bzw. bald 1.000 Mitarbeitern wie im deutschen Gesetz – einbezogen werden. Vorgesehen sind sowohl menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Unternehmen müssen künftig Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermitteln und präventive Maßnahmen sowie Abwehrmaßnahmen ergreifen. Auch die vor- und die nachgelagerte Kette müssen dabei miteinbezogen werden. Über ihre Maßnahmen müssen die Unternehmen Bericht erstatten.

Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag vor zwei Jahren, im Februar 2022, vorgestellt. Das EU-Parlament fasste seine Position am 1.6.​2023, der Rat seinen Standpunkt am 30.11.​2022. Mitte Dezember 2023 wurde schließlich eine politische Einigung über die CSDDD vermeldet. Eigentlich müssten dann nur noch technische Modifizierungen am Text vorgenommen und dieser schließlich pro forma von Rat und Parlament angenommen werden, damit er im EU-Amtsblatt verkündet werden und in Kraft treten kann. Streitpunkte sollen im Trilog ausdiskutiert und Kompromisse dort gefunden werden. Wie sich aber zeigen sollte, sind jedenfalls beim EU-Lieferkettengesetz noch einige wichtige Punkte offengeblieben.

Betroffenheit der Anwaltschaft?

Die Anwaltschaft befürchtete von Beginn an, von Anwältinnen und Anwälten erbrachte Rechtsdienstleistungen könnten – gegebenenfalls auch ohne dass Rat und Parlament dies bewusst vorgesehen hätten – in den Anwendungsbereich der CSDDD fallen. Und auch im Trilog ist dieser Punkt offenbar nicht geklärt worden. Vonseiten der Anwaltschaft wurde deshalb noch einmal eindringlich darauf hingewiesen, dass diese Lücke geschlossen werden muss. Selbstverständlich begrüßt auch die Anwaltschaft das Bestreben, menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen einzuführen. Bedenklich wird es jedoch da, wo diese auch die anwaltliche Tätigkeit und damit die anwaltliche Verschwiegenheit betreffen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant wäre gefährdet, der im Rechtsstaat so wichtige Zugang zum Recht eingeschränkt. Es muss daher in der Richtlinie oder wenigstens in einem Erwägungsgrund klargestellt werden, dass solche Tätigkeiten – direkt oder indirekt – gerade nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden. Anders verhält es sich selbstredend dann, wenn Anwälte wie andere Personen Geschäfte für ihre Kanzleien tätigen und beispielsweis Bürobedarf einkaufen.

Anwältinnen und Anwälte müssen in erster Linie die Interessen ihrer Mandanten vertreten und zur Durchsetzung des Rechts beitragen. Dem widerspräche eine Pflicht, die Mandantschaft mit Blick auf teils ausufernde und „softe“ Merkmale in Bezug auf ihre Geschäftsaktivität zu überwachen. Anwältinnen und Anwälte müssen ihren Mandanten so lange trauen dürfen, wie die Fehlerhaftigkeit von Informationen nicht offensichtlich ist. Eine Verpflichtung, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, liefe dem entgegen. Der Anwalt müsste Untersuchungen anstellen und im Zweifel ein Mandat ablehnen. Dies erscheint mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum vereinbar. In den Positionen von Rat, Parlament sowie dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag, die teils von einer Wertschöpfungskette, teils von einer Aktivitätskette sprechen, ist eine entsprechende Klarstellung nicht erfolgt. Von Anwälten erbrachte Rechtsdienstleitungen könnten potenziell von allen drei Begriffsdefinitionen erfasst sein. Die Anwaltschaft hofft nun auf mindestens einen Erwägungsgrund, durch welchen ein adäquater Schutz für sie klargestellt wird. Fraglich ist derzeit wohl auch, ob das Gesetz im Rat überhaupt die notwendige Mehrheit erzielen kann.

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Rechtsanwältin Astrid Gamisch, LL.M., ist Geschäftsführerin im Brüsseler Büro der Bundesrechtsanwaltskammer.