NJW-Editorial
Axt an das Weltstrafgericht
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Foto_Claus_Kress_WEB
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Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat, gestützt auf die formidable wirtschaftliche Macht seines Landes, auch vor dieser wohl präzedenzlosen Eskalation nicht halt gemacht: Fatou Bensouda, die amtierende Chefanklägerin des ersten ständigen Internationalen Strafgerichtshofs der Rechtsgeschichte, eine Staatsangehörige Gambias, befindet sich seit Kurzem auf der „schwarzen Liste“ von Personen, gegen die die Vereinigten Staaten gezielte Wirtschaftssanktionen verhängt haben. 

7. Okt 2020

Hintergrund ist die Entscheidung des Haager Gerichtshofs, dem Verdacht nachzugehen, Angehörige der US-Streitkräfte und der CIA könnten in Afghanistan seit dem Mai 2003 Kriegsverbrechen begangen haben, darunter Folter. Dies veranlasste Donald Trump dazu, den Internationalen Strafgerichtshof als eine „unübliche und außerordentliche Bedrohung“ der nationalen Sicherheit der USA einzustufen.

Mit seinem entsprechenden Dekret hat Trump den zur Ahndung von Völkermorden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Angriffskriegen berufenen Weltstrafgerichtshof im US-amerikanischen Recht auf eine Stufe gestellt etwa mit transnationalen Terrororganisationen und mit Vereinigungen, die sich der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verschrieben haben. Überdies hat er die Einschüchterung von Bediensteten als Form der Auseinandersetzung mit dem Gericht gewählt.

Im Gründungsvertrag des Internationalen Strafgerichtshofs heißt es, die Einschüchterung von Bediensteten mit dem Ziel, diese zu veranlassen, ihre Pflichten nicht wahrzunehmen, sei eine Straftat gegen die internationale Rechtspflege. Über die – nicht überzeugende – Rechtsauffassung der Vereinigten Staaten, die Ermittlungen gegen US-amerikanische Staatsorgane verletzten die Souveränität dieses Staats, ließe sich zivilisiert streiten, sei es im weiteren Verlauf des internationalen Strafverfahrens, sei es vor einem anderen internationalen Gericht. Die präsidiale Anordnung indessen setzt auf die Demonstration US-amerikanischer Macht. Der Gerichtshof kann vor dieser nicht zurückweichen, ohne dass seine Integrität schwersten Schaden nähme. Vor allem denjenigen Bediensteten der Anklagebehörde, die in dieser Situation zu den Vorgängen in Afghanistan ermitteln und die allesamt der akuten Gefahr einer „Listung“ ausgesetzt sind, wird es Hingabe und Mut abverlangen, der US-Drohung standzuhalten.

Bei der nun nahe gerückten Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten wird es für die meisten Amerikaner vermutlich nicht vorrangig um die Idee einer regel-basierten internationalen Ordnung gehen, die auch von internationalen Gerichtshöfen gestützt wird. Doch wird der Ausgang der Wahl auch sehr spürbar auf die Zukunftschancen dieser Idee einwirken. Einer Idee, deren Fußfassen auf der Weltbühne nicht zuletzt den Vereinigten Staaten von Amerika zu verdanken ist. •

Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Claus Kreß, LL.M. (Cantab.), ist Direktor des Institute for International Peace and Security Law an der Universität zu Köln.