Urteilsanalyse
Außerordentliche Kündigung bei Bedrohung mit einem Messer
Urteilsanalyse
Lorem Ipsum

Droht ein Mieter gegenüber im Haus arbeitenden Handwerkern mit einem Messer, um diese zum Abbruch von lärmintensiven Arbeiten zu nötigen, ist eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung nach Ansicht des LG Köln regelmäßig nur wirksam, wenn der Vermieter den Mieter vorher abgemahnt hat.

12. Dez 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 25/2022 vom 08.12.2022

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Ein Mieter fühlt sich durch die von der Vermieterin beauftragten, in der Nachbarwohnung arbeitenden Handwerker gestört. Um „für Ruhe zu sorgen“ schlägt er mit einem Messer, dessen Klinge ca. 20-30cm misst, gegen die Haustür der Nachbarswohnung und verleiht seinem Wunsch nach Ruhe mit den Worten besonderen Nachdruck, dass „ansonsten gleich Schlimmeres passiere“.

Die Vermieterin kündigt daraufhin das Mietverhältnis fristlos ohne vorherige Abmahnung. Das AG gab der Räumungsklage statt. Hiergegen wendet sich der Mieter mit seiner Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB.

Das Mietverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung beendet worden, da die Kündigung jedenfalls erst nach einer entsprechenden Abmahnung zulässig gewesen wäre, § 543 Abs. 1 und 3 BGB. Ein Ausnahmefall der Entbehrlichkeit einer solchen Abmahnung sei vorliegend nicht gegeben.

Straftaten seien zwar grundsätzlich besonders geeignet, das Vertrauensverhältnis nachhaltig zu zerstören, sodass sich dieses Vertrauensverhältnis ggf. auch nicht durch eine Abmahnung wiederherstellen ließe. Notwendig sei aber eine sorgfältige Abwägung der Einzelfallumstände.

Gemessen hieran könne bei dem streitgegenständlichen Vorfall gezeigten Verhalten des Beklagten eine solche Zerstörung des Vertrauens der Klägerin zum Beklagten nicht angenommen werden, welches nicht durch eine Abmahnung hätte wiederhergestellt werden können.

Die Klägerin habe nicht dargetan, dass sie mit einer Wiederholung des Fehlverhaltens hätte rechnen dürfen.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien bereits seit mehr als 10 Jahren andauere, wobei es überdies zuvor bereits ebenfalls über 10 Jahre mit dem Voreigentümer bestanden habe. Zu keinem Zeitpunkt sei es zu irgendwelchen Schwierigkeiten, Vorfällen oder Auseinandersetzungen gekommen. Von dem Beklagten sei mit Ausnahme des streitgegenständlichen Vorfalls während der gesamten Vertragslaufzeit offensichtlich keinerlei aggressives Verhalten ausgegangen. Auch im Nachgang zu dem streitgegenständlichen Vorfall sei es zu keinerlei weiteren Vorfällen oder Auffälligkeiten des Beklagten oder Beschwerden über diesen gekommen.

Zudem sei der Klägerin bewusst gewesen, dass der Beklagte sich durch die ab 7:30 Uhr durchgeführten Bohrarbeiten massiv gestört gefühlt habe und dazu angegeben hatte, dass er von der Arbeit komme und schlafen müsse. Auch wenn dies das Verhalten des Beklagten nicht rechtfertige, so hätte die Klägerin aber in Erwägung ziehen müssen, dass sich der Beklagte möglicherweise in einem durch sein Schlafdefizit und - nach einer Arbeitsschicht bis nachts um 3 Uhr auch in gewisser Weise nachvollziehbaren - Ruhebedürfnis bedingten Erregungszustand befunden habe, der in dieser Ausnahmesituation nicht zwingend Rückschlüsse auf das allgemeine, sonstige Verhalten des Beklagten zulassen könne. Zudem sei die Situation nach dem Vorfall auch nicht weiter eskaliert.

Vor diesem Hintergrund könne ein derart zerrüttetes Vertrauensverhältnis, welches nicht durch eine Abmahnung wiederhergestellt werden könne, nicht angenommen werden und auch die Abwägung der beiderseitigen Interessen rechtfertige die sofortige, ohne vorangehende Abmahnung erfolgte Kündigung nicht.

Praxishinweis

Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist in den in § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB genannten Fällen zulässig und damit stets abhängig vom Einzelfall. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Entscheidung, auch wenn es auf den ersten Blick anders wirken mag, richtig. Die Begründung des Gerichts überzeugt.

Wie sehr es indessen auf den konkreten Sachverhalt ankommt, zeigen andere Entscheidungen. So hat das LG Berlin (Beschluss vom 22.02.2005 – 63 S 410/04, BeckRS 2011, 8806) eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung bei einer Beleidigung des Vermieters für wirksam erklärt. Ähnlich auch das AG Neuruppin (Urteil vom 16.04.2019 - 43 C 61/18, BeckRS 2019, 12411, besprochen in Bub/Pramataroff FD-MietR 2019, 421347). Je schwerer das Fehlverhalten wiegt, desto weniger wird man von einer Besserung und damit der Notwenigkeit einer Abmahnung ausgehen können (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 25.04.2014 - 311 O 27/14, BeckRS 2014, 19335, bei dem der Mieter eine Nachbarin mit einer Eisenstange schlug und deren Wohnung zertrümmerte). Auch Vermögensdelikte, so zB das Anzapfen einer Stromleitung des Nachbarn (LG Köln, Urteil vom 17.03.1994 - 1 S 251/93, NJW-RR 1994, 909) können eine fristlose Kündigung rechtfertigen.  

LG Köln, Urteil vom 30.06.2022 - 6 S 203/21 (AG Köln), BeckRS 2022, 19489