Urteilsanalyse
Ausschließungsklage und actio pro socio
Urteilsanalyse
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Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH kann - so der BGH - unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage gegen den anderen Gesellschafter erheben.

12. Okt 2023

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 20/2023 vom 06.10.2023

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Sachverhalt

K und B sind Gesellschafter der Streithelferin, einer GmbH, und an dieser jeweils hälftig beteiligt. Die Satzung der Streithelferin enthält keine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters oder zur Einziehung von Geschäftsanteilen. Das Stammkapital von 25.000 EUR haben K und B vollständig eingezahlt. K beantragt, B aus der Streithelferin auszuschließen und dessen Geschäftsanteil nach Wahl des K entweder gegen Zahlung einer Abfindung einzuziehen oder K für befugt zu erklären, die Abtretung des Geschäftsanteils an sich, die Gesellschaft oder einen Dritten herbeizuführen. Hilfsweise beantragt er, B unter der Bedingung auszuschließen, dass die Gesellschaft innerhalb eines Zeitraums von höchstens 6 Monaten ab Rechtskraft des Urteils an den B eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung zu zahlen hat. Fraglich ist ua, ob K für die im eigenen Namen erhobene Ausschließungsklage prozessführungsbefugt ist.

Entscheidung: K ist prozessführungsbefugt!

Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH könne unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage erheben. Es sei gerechtfertigt, die Grundsätze der actio pro socio auf die Ausschließungsklage zu übertragen. Die actio pro socio solle die Gesellschafter auch vor Beeinträchtigungen durch eine unrechtmäßige Einflussnahme auf die Geschäftsführung bei der Verfolgung von aus der gesellschafterlichen Treuepflicht erwachsenden Ansprüchen schützen. Diese Gefahr bestehe auch bei Ausschließungsklagen, weil der oft intensiv geführte Streit zwischen den Gesellschaftern sich auf die Geschäftsführung der Gesellschaft und damit auch auf die Durchsetzung einer gebotenen Ausschließung auswirke.

Der Prozessführungsbefugnis des K stehe der Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft nicht entgegen. Gegenüber der Gesellschafterklage bestehe zwar grundsätzlich ein Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft. Dieser entfalle jedoch, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse der Gesellschaft so erschwert sei, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst zu einer Klage zwingen. So liege es hier aber. Im Zeitpunkt der Klageerhebung sei die organschaftliche Vertretung der Streithelferin Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren gewesen, in denen ua über die Abberufung des Rechtsvorgängers des B als Geschäftsführer sowie über die Bestellung neuer Geschäftsführer gestritten worden sei. Weil die Parteien sich nicht auf einen neuen Geschäftsführer einigten, habe das AG – Registergericht – nach Klageerhebung im vorliegenden Rechtsstreit einen Notgeschäftsführer mit einem vornehmlich auf die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen sowie die Vertretung in Gerichtsprozessen beschränkten Aufgabenkreis bestellt. Beide Parteien hätten hiergegen Beschwerde eingelegt.

Praxishinweis

Nach hM wird bislang angenommen, dass in einer Zwei-Personen-GmbH jeder Gesellschafter persönlich eine Ausschließungsklage gegen den Mitgesellschafter anstrengen kann. Dies wird mit Praktikabilitätserwägungen begründet und mit den Grundsätzen der actio pro socio bzw. deren Rechtsgedanken. Nach anderer Auffassung besteht kein Bedürfnis für eine vom allgemeinen Grundsatz abweichende unmittelbare Klagebefugnis des ausschließungswilligen Gesellschafters. Da über die Erhebung der Ausschließungsklage die Gesellschafterversammlung zu befinden habe und der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt sei, bestehe ein praktisches Bedürfnis allenfalls dann, wenn der auszuschließende Gesellschafter zugleich der einzige Geschäftsführer der GmbH sei.

Der BGH schließt sich zu Recht der hM an. Beispielsweise im Wohnungseigentumsrecht sollte das auch gelten. Siehe auch ab dem 1.1.2024 den § 715b Abs. 1 S. 1 BGB. Dieser lautet: „Jeder Gesellschafter ist befugt, einen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, wenn der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt.“

BGH, Beschluss vom 11.07.2023 - II ZR 116/21 (OLG München), BeckRS 2023, 23198