Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 22/2021 vom 04.11.2021
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Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Mietobjekts auf Grundlage einer von der Klägerin nicht näher begründeten Kündigung.
Der Mietvertrag trägt die Überschrift "Geschäftsraummietvertrag".
Darüber hinaus enthält der Mietvertrag u.a. folgende Klauseln:
- Mietgegenstand: "...Räume zum Betrieb eines Kreativbüros".
- Mietzeit: "unbefristete Dauer".
- Miete und Nebenkosten: "Gesamtmiete ohne MwSt.".
- Kaution: „zwei Gesamtmieten".
- Instandhaltung und Instandsetzung: "Kleinreparaturen bis zu einem Höchstbetrag von 100 Euro hat der Mieter zu tragen".
- Vertragsgemäßer Gebrauch und Untervermietung: „Der Mieter darf die Mietsache nur im Rahmen seines Mietvertrages und bei gleichbleibender Art des Gegenstandes dieses Gewerbebetriebs gebrauchen. Eine Erlaubnis zur Untervermietung hat der Mieter der Vermieterin anzuzeigen. Der Mieter darf auf einer Fläche, die ihm die Vermieterin zuweist, ein Schild anbringen lassen, mit dem er für seinen Betrieb wirbt und auf seinen Betrieb hinweist“.
- Konkurrenzschutz: „Ansprüche des Mieters auf Gewährung von Konkurrenzschutz oder auf Schadensersatz sind ausgeschlossen“.
Der Vermieter erteilte dem Mieter eine Wohnungsgeberbescheinigung. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen. Nach erfolgloser Aufforderung zur Räumung und Herausgabe erhob der Vermieter Räumungslage.
Entscheidung
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie sei unzulässig. Gemäß § 23 Nr. 2a GVG sei das Amtsgerichts ausschließlich zuständig.
Das zwischen den Parteien geschlossene Mietverhältnis sei als Mischmietverhältnis zu qualifizieren, auf das die Vorschriften über Wohnraummietverhältnisse gem. §§ 549 ff. BGB anzuwenden seien. Im Rahmen der gebotenen Auslegung überwiege eine gewerbliche Nutzung nicht, mit der Folge, dass aufgrund der Schutzbedürftigkeit von Wohnraummietern von der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen sei.
Die Nutzungsdauer indiziere die Nutzung der Räumlichkeiten als Wohnraum. Ausweislich des Mietvertrages sei ein unbefristeter Mietvertrag geschlossen worden. Gewerbemietverhältnisse würden aber - aufgrund des rein wirtschaftlichen Interesses an der zeitlich planbaren Nutzung der Räumlichkeiten und des fehlenden Interesses an der Gründung eines (auf unbestimmte Zeit angelegten) Lebensmittelpunktes - regelmäßig auf bestimmte Zeit geschlossen. Zudem enthalte der Mietvertrag weitere Regelungen, die sich typischerweise in Wohnraummietverträgen fänden. Die vereinbarte Kautionshöhe halte sich im Rahmen des § 551 BGB. Ebenfalls finde sich eine für Wohnraummietverträge typische Kleinreparaturklausel. Auch die durch die Klägerin unstreitig unterschriebene Wohnungsgeberbescheinigung lasse Zweifel daran aufkommen, dass es den Parteien auf eine schwerpunktmäßige gewerbliche Nutzung angekommen sei. Gegen einen auf der Geschäftsraummiete liegenden Schwerpunkt des Vertrags spreche auch, dass die Miete keine Regelung über eine Umsatzsteuerpflicht beinhalte.
Zwar gebe es auch eine Reihe von Regelungen, die auf eine gewerbliche Nutzung hindeuteten, z.B. die Zweckbeschreibung sowie die Regelung zum Konkurrenzschutz. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände lasse sich allerdings im vorliegenden Fall ein Schwerpunkt der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sodass bei Gleichwertigkeit der Nutzungsarten von der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen sei. Denn ansonsten würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen, insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters (§§ 573, 543, 569 BGB) und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 23 Nr. 2 a GVG), unterlaufen.
Praxishinweis
Sog. Mischmietverhältnisse sind als einheitliche Mietverhältnisse über Wohnräume und Geschäftsräume entweder als Wohnraummietverhältnis oder als Mietverhältnis über andere Räume zu bewerten. Für die rechtliche Einordnung ist entscheidend, welche Nutzungsart nach den getroffenen Vereinbarungen überwiegt (BGH, Urteil vom 16.04.1986 - VIII ZR 60/85, NJW-RR 1986, 877). Dabei ist maßgebend auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei der Tatrichter beim Fehlen ausdrücklicher Abreden auf Indizien zurückgreifen kann.
Der Umstand, dass Räume nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zur Ausübung einer gewerblichen/freiberuflichen Tätigkeit vermietet werden, durch die der Mieter seinen Lebensunterhalt bestreitet, lässt keine tragfähigen Rückschlüsse auf einen im Bereich der Geschäftsraummiete liegenden Vertragsschwerpunkt zu (BGH, Urteil vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13, NJW 2014, 2864). Im Zweifel ist von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen (BGH, aaO).
Für die Ermittlung des Parteiwillens zur Frage, welches Mietverhältnis begründet werden sollte, können sowohl die Vertragsurkunde als auch das Verhalten der Parteien im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung und auch im Nachhinein, soweit dies Rückschlüsse auf einen übereinstimmenden Willen bei Abschluss des Vertrages zulässt, herangezogen werden (Drettmann in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. I., Rn. 1787 f.). Ein tragfähiges Indiz für einen Wohnzweck ist vorliegend die vom Vermieter unterzeichnete Wohnungsgeberbescheinigung, die Vermieter nur bei Wohnraummietverhältnissen erteilen dürfen. Dem steht zwar entgegen, dass der Mietvertrag ausschließlich eine gewerbliche Nutzung vorsieht, was aber nicht ausschließt, dass nachträglich der Mietzweck geändert wurde. Die Argumentation des Gerichts, bestimmte Klauseln indizierten ein Wohnraummetverhältnis, überzeugen nicht.
LG Köln, Urteil vom 08.10.2020 - 14 O 191/20, BeckRS 2020, 49173