Urteilsanalyse
Ausgleichszahlung nach Flugannullierung nicht auf Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten anzurechnen
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Eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Fluggastrechte-VO ist nach einem Urteil des BGH auf einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten, die für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs angefallen sind, nicht anzurechnen.

18. Okt 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 20/2021 vom 14.10.2021

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Sachverhalt

Die Kläger hatten einen Hin- und Rückflug von Düsseldorf über Amsterdam nach Accra (Ghana) gebucht. Der Hinflug wurde annulliert, mit einem Ersatzflug erreichten die Kläger Accra einen Tag später als geplant. Auf dem Rückweg wurde der Anschlussflug von Amsterdam nach Düsseldorf annulliert. Mit dem Ersatzflug erreichten die Kläger Düsseldorf mit einer Verspätung von über 10 Stunden. Sie verklagten die Fluggesellschaft deshalb auf Leistung einer Ausgleichszahlung und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten. Für den Hinflug leistete die Fluggesellschaft die Ausgleichszahlung schließlich, hinsichtlich des Rückflugs wurde sie dazu verurteilt. Hinsichtlich des Freistellungsanspruchs blieben die Kläger in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Sie gingen deshalb in Revision.

Entscheidung: Keine Anrechnung – Ansprüche betreffen unterschiedliche Schäden

Die Revision hatte Erfolg.

Der Senat bestätigt erneut seine Rechtsprechung, wonach das ausführende Luftverkehrsunternehmen einem Fluggast, dem ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Fluggastrechte-VO zustehe, grundsätzlich auch die Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts erstatten müsse, wenn es die ihm gem. Art. 14 Abs. 2 Fluggastrechte-VO obliegende Informationspflicht verletzt hat. Zu dem danach zu ersetzenden Schaden gehöre auch eine Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung. Aus dem Schutzzweck des Art. 14 Abs. 2 Fluggastrechte-VO ergebe sich nicht, dass nach einer Verletzung der Informationspflicht nur die Kosten einer anwaltlichen Beratung zu ersetzen sind.

Die geschuldete Ausgleichszahlung sei auch nicht auf diesen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten anzurechnen. Der Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechte-VO sei eine pauschalierte Entschädigung für die Unannehmlichkeiten, die einem Fluggast mit der Annullierung seines Fluges entstünden, erfasse aber nicht darüber hinausgehende individuelle Schäden. Das nationale Gericht könne eine Ausgleichszahlung auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch anrechnen, müsse dies aber nicht (Art. 12 Abs. 1 Fluggastrechte-VO).

Damit sei hier keine Anrechnung im Rahmen einer Vorteilsausgleichung vorzunehmen. Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betreffe andere Schäden als die Ausgleichszahlung, nämlich jene, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Ansprüche auf eine Ausgleichszahlung entstanden seien. Eine Anrechnung stünde weder mit dem Zweck des Ausgleichsanspruchs noch mit dem Zweck des Art. 14 Abs. 2 Fluggastrechte-VO in Einklang. Denn sie würde dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Informationspflicht für das Luftverkehrsunternehmen folgenlos bliebe, obwohl dem Fluggast dadurch ein zusätzlicher Schaden entstanden sei.

Praxishinweis

Der Fluggast darf grundsätzlich die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur außergerichtlichen Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs für erforderlich halten, wenn das Luftverkehrsunternehmen ihn nicht vollständig und klar darüber unterrichtet hat, unter welchen Voraussetzungen, in welcher Höhe und gegen welches Unternehmen er einen solchen Anspruch geltend machen kann (BGH Urteil vom 12.2.2019 - X ZR 24/18, NJW 2019, 1373; Urteil vom 01.99.2020 - X ZR 97/19, NJW-RR 2020, 1507). In der berichteten Entscheidung hat der BGH diese Rechtsprechung nochmals bestätigt. Er hat außerdem noch entschieden, dass die Ausgleichszahlung nicht auf einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten, die für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs angefallen sind, nach Art. 12 Abs. 1 Fluggastrechte-VO anzurechnen ist. (siehe allgemeiner zur Anrechnung auch Marun in BeckOK Fluggastrechte- Verordnung, Art. 12 Weitergehender Schadensersatz, Rn. 5 ff.).

BGH, Urteil vom 31.08.2021 - X ZR 25/20, rechtskräftig (LG Düsseldorf), BeckRS 2021, 28494