Urteilsanalyse
Ausgangskontrolle bei Übersendung mittels beA
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Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen nach einem Beschluss des BGH denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a V 2 ZPO erteilt wurde. Hat der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war.

20. Jul 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 14/2021 vom 09.07.2021

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Sachverhalt

Die erstinstanzlich unterlegene Klägerin hatte rechtzeitig Berufung eingelegt. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist verstrichen war, hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass eine Berufungsbegründungsschrift bis zum Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung nicht eingegangen sei und deshalb von der Unzulässigkeit der Berufung ausgegangen werde. Die Klägerin hat daraufhin unverzüglich wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung zugleich begründet. Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung hat sie – unter Beifügung verschiedener Auszüge aus dem beA-Protokoll ihrer Prozessbevollmächtigten – ausgeführt, die bei letzterer seit vier Jahren beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte habe die Berufungsbegründung am letzten Tag der Begründungsfrist fristgerecht per beA an das Berufungsgericht versandt. An diesem Tag seien vier weitere Übermittlungen erfolgt, die ohne Beanstandung geblieben seien. Alle Nachrichten seien laut Protokoll an das beA übermittelt worden. Ihre Prozessbevollmächtigte nutze das beA seit März 2019 täglich, ohne dass es bei der Übersendung von bisher 170 Nachrichten zu Beanstandungen gekommen sei. Für das Büropersonal gebe es die Arbeitsanweisung, dass eine Frist aus dem Fristenkalender „erst nach Überprüfung der Erledigung und Anweisung durch die" Prozessbevollmächtigte der Klägerin gestrichen werden dürfe. Beim Versand von Nachrichten über das beA erfolge eine Überprüfung „insbesondere hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen". Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt worden. Fehler seien hierbei nicht zu erkennen gewesen.

Nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der Berufungseingangsgeschäftsstelle, nach der die zuständige Mitarbeiterin das Programm der elektronischen Akte („eAkte") nach der Berufungsbegründung durchsucht, aber nicht aufgefunden habe, hat das Berufungsgericht die automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs der Berufungsbegründung (§ 130a V 2 ZPO) bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angefordert. In dem von dieser sodann übersandten Übermittlungsprotokoll befindet sich unter dem Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll", Unterpunkt „Meldungstext", die Angabe: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden." und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus" außerdem die Angabe: „Fehlerhaft". Das Berufungsgericht hat daraufhin den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Entscheidung

Der BGH hat die dagegen gerichtete (ohne weiteres statthafte, §§ 574 I 1 Nr. 1, 522 I 4, 238 II 1 ZPO) Rechtsbeschwerde der Klägerin verworfen, weil die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 II ZPO nicht vorlägen. Denn die Rechtssache habe weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordere sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; der angefochtene Beschluss werfe weder entscheidungserhebliche klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch verletze er die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 I GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) und auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG).

Berufung ist nicht rechtzeitig begründet worden

Das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung nicht rechtzeitig begründet worden sei. Nach § 130a V 1 ZPO sei ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert sei. Ein über das beA eingereichtes elektronisches Dokument sei danach wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es auf dem für dieses eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das EGVP gespeichert worden sei; ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, sei demgegenüber unerheblich. Das Berufungsgericht habe aber rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Schriftsatz nicht auf dem Intermediär-Server des Berufungsgerichts eingegangen sei; Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung aufgrund eines Fehlers des Intermediär-Servers gescheitert sei, seien weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

Wiedereinsetzung kann mangels ordnungsgemäßer Ausgangskontrolle nicht gewährt werden

Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil die Fristversäumung auf einem der Klägerin nach § 85 II ZPO zuzurechnen anwaltlichen Organisationsmangel bei der Ausgangskontrolle in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten. Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mittels beA sei sicherzustellen, dass überprüft werde, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Dies erfordere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a V 2 ZPO erteilt worden sei. Dass eine solche Kontrolle integraler Bestandteil der organisatorischen Abläufe in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei, habe diese weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Aus dem Vortrag ergebe sich nicht, wie die Überprüfung hinsichtlich „Versand und Fehlermeldungen" im Rahmen der Kanzleiorganisation genau erfolge, insbes. ob diese eine ordnungsgemäße Prüfung des Erhalts der elektronischen Eingangsbestätigung nach § 130a V 2 ZPO umfasse. Vielmehr legten es die Ausführungen der Klägerin nahe, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die sich mit der Funktionsweise des beA hätte vertraut machen müssen, nicht – was aber von ihr zu fordern gewesen wäre – gewusst habe, dass es entscheidend auf die Überprüfung der Eingangsbestätigung nach § 130a V 2 ZPO ankommt, bzw. wo diese zu finden sei, und dass sie aufgrund fehlerhafter Deutung des Übermittlungsprotokolls und des Vermerks im beA-Protokoll „Die Ausgangsnachricht S. ./. R. wurde an beA übertragen" sowie des oberhalb des Abschnitts „Zusammenfassung Prüfprotokoll" befindlichen Vermerks „Zugegangen: 10.09.2019 11:48" fälschlicherweise davon ausgegangen sei, eine hinreichende Bestätigung der erfolgreichen Übermittlung an das Berufungsgericht nach § 130a V 2 ZPO erhalten zu haben.

Praxishinweis

Wird ein fristgebundener Schriftsatz über das beA versandt, ist – nicht anders als bei Versendung per Telefax – sicherzustellen, dass anschließend überprüft wird, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Absender erfolgt ist. Besonderheiten ergeben sich indessen daraus, dass die Versendung über beA nicht von Punkt zu Punkt, sondern über ein Netz von Intermediären erfolgt, dh (vereinfacht) zunächst an das beA der BRAK und von dort in das EGVP auf den für das Empfänger-Gericht zuständigen Intermediär (zB im Falle des BGH der Empfänger-Intermediär der IT Baden-Württemberg, BGH NZA 2020, 1199 Rn. 9). Abgeschlossen ist die Übermittlung nicht schon mit der Übermittlung in das beA der BRAK, sondern erst mit der vollständigen Speicherung auf dem zuständigen Empfänger-Intermediär; ob die Datei von dort ordnungsgemäß an die Poststelle des Empfängergerichts weitergeleitet wird, ist demgegenüber unerheblich. Für die ordnungsgemäße Ausgangskontrolle genügt es daher nicht, den ersten Übermittlungsschritt zu überprüfen, entscheidend ist vielmehr die nach § 130a V 2 ZPO vom Empfänger-Intermediär zu erteilende automatisierte Eingangsbestätigung. Die Tücke für den technischen Laien ist, dass das beA-System drei verschiedene Bestätigungen, nämlich das Prüfprotokoll, das Übermittlungsprotokoll und die Eingangsbestätigung kennt (vgl. hierzu beA-Newsletter 31/2019, abrufbar auf der Internetseite der BRAK). Das Prüfprotokoll bezieht sich auf die verwendete Signatur, das Übermittlungsprotokoll auf die Übermittlung an die BRAK und die Eingangsbestätigung ist die in § 130a V 2 ZPO Gemeinte. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte sich die Rechtsanwältin ersichtlich allein auf das Übermittlungsprotokoll verlassen ohne zu erkennen, dass dieses über den Eingang bei der Justiz nichts besagt.

BGH, Beschluss vom 11.05.2021 - VIII ZB 9/20, BeckRS 2021, 15401