Urteilsanalyse
Auftragsinhalt für Entstehung einer Geschäftsgebühr bei vorgerichtlicher anwaltlicher Zahlungsaufforderung maßgeblich
Urteilsanalyse
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Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist nach einem Urteil des BGH eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats.

28. Apr 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 08/2022 vom 22.04.2022

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Sachverhalt

Die Klägerin erstellte für von der Beklagten beauftragte Parkettarbeiten eine Teil- und eine Schlussrechnung über 3.570 EUR und 3.911 EUR. Da keine Zahlung erfolgte, forderte die Klägerin die Beklagte schließlich unter Fristsetzung zur Zahlung auf. Da auch dies nichts brachte, schaltete sie einen Anwalt ein, um die Beklagte zur Zahlung zu bewegen. Die Beklagte beglich dann den Betrag aus der Schlussrechnung und während des anschließenden Mahnverfahrens über den Restbetrag und die Anwaltskosten den Betrag aus der Teilrechnung. Das AG verurteilte die Beklagte zur Zahlung der noch offenen Anwaltskosten. Dagegen wandte sich die Beklagte nach erfolgloser Berufung mit ihrer – vom LG zugelassenen – Revision.

Entscheidung: Entstehung einer Geschäftsgebühr vom erteilten Auftrag abhängig

Die Revision war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beauftragung eines Anwalts sei erforderlich und zweckmäßig gewesen. Die Beklagte sei in Verzug gewesen, der Anwalt der Klägerin habe neun Tage später sein kostenauslösendes Mahnschreiben versandt. Mangels Anhaltspunkten habe die Klägerin nicht damit rechnen können, dass die Beklagte die offenen Rechnungsbeträge ohne weitere Schritte bezahlen würde. Dass ein Schuldner auf Zahlungsaufforderungen des Gläubigers nicht reagiere, führe für sich allein nicht dazu, dass eine außergerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung nicht als erfolgversprechend anzusehen ist. Insbesondere wenn – wie hier – der Grund für die Nichtzahlung im Dunkeln bleibe, sei die Einschaltung eines Anwalts zweckmäßig.  

Indes hänge die Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zudem von Art und Umfang des im Einzelfall erteilten Mandats ab. Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöse oder als Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehöre und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten sei, sei eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteile der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, sei für eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG kein Raum mehr. Anders sei es hingegen, wenn nur die außergerichtliche Tätigkeit beauftragt oder lediglich ein (aufschiebend) bedingter Prozessauftrag für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilt wird. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu Art und Umfang des Mandats getroffen habe, müsse es dies noch nachholen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH zeigt einmal mehr, wie wichtig es aus Anwaltssicht ist, den Inhalt des erteilten Auftrags präzise zu definieren. Erfreulich ist auch der Hinweis des BGH, dass allein die Tatsache, dass ein Schuldner auf Zahlungsaufforderungen des Gläubigers nicht reagiere, nicht dazu führe, dass eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung durch einen Rechtsanwalt nicht als erfolgversprechend anzusehen ist, und dass insbesondere in Fällen, in denen der Grund für die Nichtzahlung im Dunkeln bleibe, die Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts zweckmäßig ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, Urteil vom 17.09.2015 - IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793 m. Anm. Mayer FD-RVG 2015, 373906).


BGH, Urteil vom 24.02.2022 - VII ZR 320/21 (LG Wuppertal), BeckRS 2022, 6224