Urteilsanalyse
Auch Syndikusrechtsanwälte müssen Schriftsätze elektronisch übermitteln
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§ 130d ZPO gilt nach einem Urteil des KG auch für Syndikusrechtsanwälte und beansprucht Beachtung unabhängig davon, ob für das konkrete Verfahren Anwaltszwang herrscht oder nicht.

1. Jun 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 11/2022 vom 01.06.2023

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Vergütungs- und Berufsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Vergütungs- und Berufsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Vergütungs- und Berufsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Der Syndikusrechtsanwalt des beklagten Unternehmens legte per Post Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ein. Nach gerichtlichem Hinweis, dass der Einspruch nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei, übermittelte der Syndikusrechtsanwalt ihn nach Ablauf der Einspruchsfrist erneut als elektronisches Dokument. Er wies – neun Tage nach Eingang des Einspruchs per Post – darauf hin, dass eine fristgerechte Übermittlung des Einspruchs in elektronischer Form aus technischen Gründen nicht möglich gewesen sei. Das Unternehmen blieb vor dem LG ohne Erfolg. Dagegen legte es Berufung ein und begehrte Wiedereinsetzung.

Entscheidung: § 130d ZPO gilt auch für Syndikusrechtsanwälte, vorübergehende Unmöglichkeit nicht rechtzeitig glaubhaft gemacht

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Der Einspruch sei wegen nicht fristgemäßer Erhebung unzulässig. Der innerhalb der Frist per Post eingegangene Einspruch sei mangels Einhaltung der elektronischen Form nach § 130d ZPO formunwirksam. § 130d ZPO gelte auch für Syndikusrechtsanwälte und beanspruche Beachtung unabhängig davon, ob für das konkrete Verfahren Anwaltszwang herrsche oder nicht. Hierfür sprächen der vom Gesetzgeber für den Zivilprozess gewollte, weite sachliche Anwendungsbereich des § 130d Satz 1 ZPO und – über den umfassenden Wortlaut der Norm hinaus – der Zweck der Regelung.

Die ausnahmsweise für den Fall der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument (§ 130d Satz 2 ZPO) bestehende Möglichkeit, einen Schriftsatz per Post oder Fax zu übermitteln, greife nicht. Gemäß § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO sei diese vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Jedenfalls daran fehle es hier, da der Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt die Hinderungsgründe für die Einreichung auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg bekannt sein mussten und ihr zugleich eine sofortige Glaubhaftmachung dieser Gründe möglich war. In einem solchen Fall genüge es nicht, mehr als eine Woche nach Auftreten der behaupteten technischen Störung nachträglich die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung darzulegen und glaubhaft zu machen. Selbst wenn man bei Auftreten einer technischen Störung in geräumigem zeitlichen Abstand zum Fristablauf nach dem Wortlaut des § 130d Satz 3 ZPO noch eine unverzüglich nachgereichte Glaubhaftmachung genügen lasse, sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte noch mehr als eine Woche mit der Einreichung der Glaubhaftmachung zugewartet habe.

Die Beklagte könne sich auch nicht damit exkulpieren, dass sie jedenfalls den Zugang des gerichtlichen Hinweises habe abwarten dürfen. Denn der für die Beklagte handelnde Syndikusrechtsanwalt habe die durch den neugefassten § 130d ZPO an ihn gestellten Anforderungen kennen müssen. Aufgrund der bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Rechtskenntnis sei für ihn offenkundig gewesen, dass er die Einspruchsschrift zwingend als elektronisches Dokument beim Prozessgericht einreichen musste. Der Beklagten sei wegen der Versäumung der Einspruchsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Praxishinweis

Die Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs betrifft Rechtsanwälte, Syndikusrechtsanwälte sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts (Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, ZPO § 130d Rn. 2 m. w. N.). Um Missbrauch auszuschließen, bestimmt § 130d Satz 3 Hs. 1 ZPO, dass der Nutzungsberechtigte die vorübergehende technische Unmöglichkeit unaufgefordert schon bei der Ersatzeinreichung oder jedenfalls unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) danach glaubhaft zu machen hat, wobei die Glaubhaftmachung möglichst mit der Ersatzeinreichung erfolgen soll (siehe hierzu näher BGH, Beschluss vom 15.12.2022 - III ZB 18/22, BeckRS 2022, 39821 m. Anm. Mayer FD-RVG 2023, 455539).

KG, Urteil vom 14.03.2023 - 7 U 74/22 (LG Berlin), BeckRS 2023, 9798