Urteilsanalyse
Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung
Urteilsanalyse
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Der Anspruch auf den 15%igen Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung nach § 1a Ia BetrAVG kann - so das LAG Niedersachsen - auch durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen werden, der bereits vor Schaffung der Norm bestanden hat. Jedenfalls sind andere Arbeitgeberzuschüsse, die im Rahmen einer Entgeltumwandlung gezahlt werden, auf den Zuschuss nach § 1a Ia BetrAVG anzurechnen.

29. Jan 2024

Anmerkung von

RA Prof. Dr. Martin Diller, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 03/2024 vom 25.01.2024

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Sachverhalt

Für das Arbeitsverhältnis der klagenden Arbeitnehmerin galt ein Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung aus dem Jahr 2008. Dieser sah die Zahlung eines „Altersvorsorgegrundbetrages“ durch den Arbeitgeber i.H. des 25fachen des Facharbeiter-Ecklohns pro Kalenderjahr vor. Im Jahr 2014 begann die Klägerin eine Entgeltumwandlung über einen Pensionsfonds, dort wurden monatlich 140 EUR eingezahlt. In diesem Betrag war der monatliche Altersvorsorgegrundbetrag des Arbeitgebers enthalten. Zuletzt entfielen auf den Altersvorsorgegrundbetrag monatlich 38,48 EUR und auf das umgewandelte Entgelt monatlich 101,52 EUR. Die Klägerin verlangte für die Zeit ab 1.1.2022 zusätzlich den 15%igen Arbeitgeberzuschuss gem. § 1a Ia BetrAVG i.H.v. 15,32 EUR. Die Beklagte verweigerte die Zahlung unter Verweis auf den Tarifvertrag.

Vor dem ArbG blieb die Klage erfolglos.

Entscheidung

Die Berufung der klagenden Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg. Das LAG entschied zunächst, dass der Anspruch auf den 15%igen Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung aus § 1a Ia BetrAVG, der grds. über § 19 I BetrAVG tarifdispositiv ist, auch durch Tarifverträge ausgeschlossen werden kann, die vor Inkrafttreten des § 1a Ia BetrAVG (1.1.2019) geschlossen wurden. Das LAG schloss dies aus der Gesetzesbegründung sowie dem systematischen Zusammenhang mit der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG. Dem stehe nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien beim Abschluss des Tarifvertrags naturgemäß nicht den Willen haben konnten, § 1a Ia BetrAVG abzubedingen.

Ob die tarifliche Regelung eine von § 1a Ia BetrAVG abweichende Regelung enthalte, sei eine Frage der Auslegung. Im entschiedenen Fall sei der Arbeitgeberzuschuss untrennbarer Bestandteil des Tarifvertrages zur Entgeltumwandlung gewesen und habe genau derselben Funktion gedient wie § 1a Ia BetrAVG, nämlich der Weitergabe von eingesparten Sozialabgaben.

Hilfsweise argumentierte das LAG, dass der freiwillig vom Arbeitgeber auf Grundlage des Tarifvertrages gezahlte „Altersvorsorgegrundbetrag“ jedenfalls auf den gesetzlich geforderten Zuschuss nach § 1a Ia BetrAVG anrechenbar sei. Da er im entschiedenen Fall höher gewesen sei, verdränge er den Anspruch aus § 1a Ia BetrAVG vollständig.

Praxishinweis

Das Urteil des LAG ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings hat es sich das LAG unnötig schwer gemacht. Denn dass freiwillige Arbeitgeberzuschüsse im Rahmen der Entgeltumwandlung auf den gesetzlich geforderten Zuschuss nach § 1a Ia BetrAVG anrechenbar sind, ist soweit ersichtlich einhellige Auffassung. Das LAG hätte sich also gar nicht ergänzend mit der hochumstrittenen Frage auseinandersetzen müssen, ob Tarifverträge aus der Zeit vor 2019 den Anspruch aus § 1a Ia BetrAVG verdrängen können, ggf. sogar vollständig. In der Praxis besonders umstritten sind die Fälle, in denen ein Tarifvertrag aus der Zeit vor 2019 zwar die Entgeltumwandlung regelt, aber keinerlei Arbeitgeberzuschuss vorsieht. Abgesehen von der – vom LAG bejahten – Frage, ob überhaupt ältere Tarifverträge von § 1a Ia BetrAVG abweichen können, stellt sich in solchen Fällen die zusätzliche Frage, ob solche Tarifverträge i.S. eines „beredten Schweigens“ dahingehend ausgelegt werden können, dass sie den später eingeführten gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss abbedingen. Auf die Klärung dieser Frage darf man gespannt sein.

Völlig zu Recht hat das LAG die Revision zugelassen. Ob allerdings der Betriebsrentensenat des BAG auf die dargestellten hochstreitigen Fragen überhaupt eingehen wird, oder die „Abkürzung“ über die jedenfalls bestehende Anrechnungsmöglichkeit nehmen wird, bleibt abzuwarten.

LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.10.2023 – 15 Sa 225/23 B (ArbG Osnabrück 22.2.2023 – 1 Ca 301/22), BeckRS 2023, 37590