Urteilsanalyse
Anzuwendendes Recht bei Anfechtung einer Zahlung des Insolvenzschuldners als Dritter zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung
Urteilsanalyse
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Das auf einen Vertrag anwendbare Recht ist auch für die Zahlung maßgeblich, die ein Dritter zur Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtung leistet. Bei der Anfechtung dieser Zahlung richtet sich der Einwand nach Art. 13 EuInsVO (1346/2000) - so der EuGH - ebenfalls nach der lex causae des erfüllten Vertrages.

17. Mai 2021

Anmerkung von

Rechtsanwältin Dr. Annerose Tashiro, Registered European Lawyer (London), Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 10/2021 vom 13.05.2021

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Sachverhalt

Zwischen der deutschen Gesellschaft Tankfracht GmbH (T) und dem niederländischen Kaufmann E.A. Friedrichs (F) bestand ein Vertrag über ein Binnenschiff. Der Vertrag unterstand niederländischem Recht. Aus diesem Vertrag schuldete T dem F noch einen Betrag in Höhe von 8259,30 EUR. Die deutsche Oeltrans Befrachtungsgesellschaft (O) zahlte diesen Betrag, den T dem F schuldete. Über das Vermögen der O wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung vor Ablauf der Verjährung nach § 146 InsO an. F erhob die Einrede der Verjährung.

Der BGH möchte in seinem Vorabentscheidungsersuchen wissen, ob Art. 13 EuInsVO (1346/2000) und Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO dahingehend auszulegen sind, dass das auf einen Vertrag anwendbare Recht auch für die Zahlung maßgeblich ist, die ein Dritter leistet. Seiner Auffassung nach hängt die Beantwortung der für den Einwand nach Art. 13 EuInsVO (1346/2000) maßgeblichen Frage, ob die angefochtene Rechtshandlung dem Recht eines anderen Mitgliedstaates als dem der Verfahrenseröffnung unterliegt, davon ab, ob nach Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO die Zahlung durch O in Erfüllung der Verbindlichkeit von T gegenüber F ebenfalls niederländischem Recht unterliegt.

Entscheidung

Der EuGH legt Art. 13 EuInsVO (1346/2000) iVm Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO so aus, dass die angefochtene Zahlung auch durch Dritte unter dem gleichen Recht steht wie der erfüllte zugrundeliegende Vertrag.

Der EuGH verweist auf Erwägungsgrund 24 der EuInsVO (1346/2000), wonach die Ausnahme vom Grundsatz der Anwendung der lex fori concurses nach Art. 4 Abs. 2 (m) zwar Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu gewährleisten habe, aber eng auszulegen sei (EuGH C-310/14, BeckRS 2015, 81357 mAnm Ehret FD-InsR 2015, 374035). Art. 13 verfolge zudem das Ziel, dass die von der angefochtenen Rechtshandlung begünstigte Person insoweit geschützt werde, als dass die Handlung auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin dem Recht unterliege, das für sie zum Zeitpunkt der Vornahme gegolten habe (EuGH C-54/16, EuGH C-54/16 BeckRS 2017, 112225 mAnm Honert FD-InsR 2017, 393417). Demnach müsse eine Partei, die eine Zahlung erhalten habe, auch davon ausgehen können dürften, dass das für den Vertrag anwendbare Recht auch für die Zahlung gelte. Das gelte auch für den Fall, dass die Zahlung durch einen Dritten erfolgt sei. Denn der Vertragspartner könne vernünftigerweise nicht verpflichtet sein vorherzusehen, dass gegen den Vertragspartner oder einen Dritten später ein Insolvenzverfahren eröffnet werde.

Darüber hinaus verweist der EuGH auf Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO, wonach das auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch insbesondere maßgeblich für die Erfüllung der durch ihn begründeten Verbindlichkeiten sei.

Eine solche Auslegung entspreche dem Ziel von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, den Art. 13 EuInsVO (1346/2000) verfolge.

Praxishinweis

Während Art. 12 Abs. 1 (b) Rom I VO bereits eindeutig den Weg für die hier vorgenommene Auslegung ebnet, ist sicherlich andererseits die Erfüllung durch einen Dritten davor nicht unmittelbar erfasst. 

Der Verweis auf frühere Rechtsprechung (EuGH C-54/16 BeckRS 2017, 112225 mAnm Honert FD-InsR 2017, 393417), wonach die Art. 4 und 13 der EuInsVO (1346/2000) gegenüber der Rom I VO (593/2008) lex specialis sei, gibt damit die Zielrichtung vor. Der Begünstigte einer Zahlung müsse im Sinne der Rechtssicherheit darauf vertrauen dürfen, dass auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch die gleichen Spielregeln gelten. Nun könnte man zwar von zwei Vertragsparteien durchaus erwarten, dass sie sich bei Vertragsabschluss darüber Gedanken machen, welchen Einfluss ein Insolvenzverfahren darauf hätte. Gerade aber bei der Erfüllung durch einen Dritten, die bei Vertragsabschluss wohl eher nicht erwartbar ist, greift dieser Gedanke nicht. Deshalb ist die Entscheidung des EuGH konsequent.

EuGH, Urteil vom 22.04.2021 - C-73/20, BeckRS 2021, 8105