Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 17/2020 vom 27.08.2020
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Sachverhalt
Die Klägerin hatte den beklagten Rechtsanwalt beauftragt, Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung gerichtlich durchzusetzen. Der Beklagte forderte die Klägerin wiederholt auf, eine Vereinbarung mit einem Unternehmen zu schließen, das den Beklagten durch «Recherchehilfe und banktechnische Kompetenz» unterstützen sollte. Dieses Unternehmen wurde von der Ehefrau des Beklagten betrieben – was die Klägerin nicht wusste – und sollte als Vergütung eine Beteiligung von 16% der erstrittenen Schadensersatzleistung erhalten. Zum Zeitpunkt der Aufforderungen lag bereits ein Vergleichsangebot der Anlageberaterin vor. Die Klägerin lehnte den Abschluss der vom Beklagten unterbreiteten Auftrags- und Vergütungsvereinbarung ab, zuletzt nach abermaliger Aufforderung vom 25.01.2017, die erfolgte, nachdem die sachbearbeitende Rechtsanwältin ihr das als «akzeptabel» bezeichnete Vergleichsangebot mitgeteilt hatte.
Mit Schreiben vom 10.02.2017 kündigte die Klägerin das Mandat. Nach Beauftragung neuer Prozessbevollmächtigter wurde der von der Klägerin geführte Anlageberatungsrechtsstreit durch Vergleich beendet. Die Klägerin nahm den Beklagten auf Ersatz der ihr durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten in Anspruch. Das LG verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 5.098 EUR. Auf die Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Mit der Revision erstrebte die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils.
Entscheidung: Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 628 Abs. 2 BGB sei gegen den Beklagten nicht begründet, weil die Klägerin die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB versäumt hat. Die Schadensersatzpflicht aus § 628 Abs. 2 BGB könne bei einer Vertragsbeendigung entstehen, für die der andere Vertragsteil durch ein vertragswidriges, schuldhaftes Verhalten den Anlass gegeben habe. Dabei müsse das für den Schadensersatz erforderliche Auflösungsverschulden des Vertragspartners - anders als das in § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzte vertragswidrige Verhalten - das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinn des § 626 BGB haben. Nur derjenige könne Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB fordern, der auch wirksam aus wichtigem Grund hätte fristlos kündigen können. Denn aus dem Zusammenhang der Absätze 1 und 2 ergebe sich die gesetzliche Wertung, dass nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung, die Anlass für eine Beendigung des Vertragsverhältnisses gewesen ist, die schwerwiegenden Folgen des § 628 Abs. 2 BGB nach sich zieht. Diese einhelligen Erwägungen gölten auch im Rahmen der anwaltlichen Berufshaftung. Ein Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB setze mithin ein anwaltliches Fehlverhalten von der Schwere eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB voraus.
Ob der Schweregrad eines wichtigen Grundes erreicht sei, könne hier dahinstehen. Erfordere der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB einen wichtigen Beendigungsgrund, müsse für die Kündigung auch die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt werden. Daran fehle es. Der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB setze voraus, dass eine wirksame außerordentliche Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens der anderen Vertragspartei ausgesprochen wurde oder hätte ausgesprochen werden können. Werde die gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt, ende damit auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung. Ein erheblicher wichtiger Grund sei - sollte er vorgelegen haben - nicht mehr geeignet, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar zu machen. Wenn ein pflichtwidriges Verhalten einer Vertragspartei nicht mehr zum Anlass einer vorzeitigen Beendigung des Rechtsverhältnisses genommen werden könne, entfalle damit auch der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB wegen dieses Verhaltens. Andernfalls bestünde ein nicht auflösbarer Widerspruch zwischen der Bestimmung über die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB und der Vorschrift über den Schadensersatz nach § 628 BGB.
Die Vorschrift des § 628 Abs. 2 BGB sei kein Auffangtatbestand für infolge einer Versäumung der Ausschlussfrist misslungene außerordentliche Kündigungen. Mit der Einführung der Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB seien auch die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung verschärft worden. Das habe auch zu einer Einschränkung des auf § 626 BGB aufbauenden Schadensersatzanspruches nach § 628 Abs. 2 BGB geführt. Wahre der Anspruchsberechtigte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht, so verliere er seinen Anspruch auf Schadensersatz. Entsprechend dieser allgemeinen Auffassung müsse auch die Beendigung des Anwaltsdienstvertrages innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen. Im Streitfall sei die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden. Maßgeblich für die Einhaltung der sich nach §§ 187, 188 BGB berechnenden Frist von zwei Wochen sei der Zugang der Kündigungserklärung bei dem Empfänger. Die Kündigung der Klägerin habe auf dem Vorfall vom 25.01.2017 beruht, sodass die Kündigungsfrist am 08.02.2017 endete. Das Kündigungsschreiben der Klägerin vom 10.02.2017 sei mithin verspätet gewesen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH bringt Klarheit für den Schadensersatzanspruch des Mandanten nach § 628 Abs. 2 BGB. So muss das vertragswidrige Verhalten im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB die Qualität eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB haben. Zudem muss die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB für den Ausspruch der Kündigung gewahrt werden.
BGH, Urteil vom 16.07.2020 - IX ZR 298/19, rechtskräftig (OLG Schleswig), BeckRS 2020, 17493