Kolumne
Anwälte drehen am Rat
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In Rheinland-Pfalz und dem Saarland gibt es für Anwältinnen und Anwälte den Ehrentitel „Justizrat“. Außerhalb der beiden Bundesländer hält man ihn für bestenfalls eigentümlich, aber im örtlichen Wettbewerb spielt er durchaus eine Rolle. Auch deshalb hat sich jetzt die Satzungsversammlung mit dem Thema befasst. Allerdings ziemlich desinteressiert.

4. Nov 2021

Vor einiger Zeit habe ich mich an dieser Stelle über die Titelfixierung von uns Juristen amüsiert. Die damalige Kolumne ist jüngst zu großer Ehre gekommen. Der Text aus Heft 5 des vergangenen Jahres war Gegenstand der Satzungsversammlung, genauer gesagt des Ausschusses 2, der für allgemeine Berufs- und Grundpflichten sowie für Werbung zuständig ist. Er hatte die Bezeichnung oder den Titel „Justizrat“ (es ist schon streitig, was genau das eigentlich ist) auf seiner Agenda, den ich in dem damaligen Beitrag als rheinland-pfälzische und saarländische Spezialität bezeichnet hatte, die außerhalb der beiden Bundesländer bestenfalls für eigentümlich gehalten wird.

Aber da habe ich das Thema offenbar unterschätzt. Für Kolleginnen und Kollegen an Rhein, Mosel und Saar hat der Justizrat im örtlichen Wettbewerb durchaus Relevanz. Denn er wird von den Inhabern fleißig kommuniziert: Auf Kanzleischildern, Briefbögen, Visitenkarten und Webseiten. Und was andernorts belächelt wird, klingt in den Ohren manches Rechtsuchenden womöglich doch wie ein besonderer Kompetenzausweis. Mehr noch: Der Titel suggeriert sogar eine gewisse Nähe zur Justiz. Und welcher Mandant wünscht sich nicht einen Anwalt, der bei Gericht besonders wohlgelitten ist.

Tatsächlich sagt der Titel Justizrat über die Qualifikation des Inhabers nichts aus. Verliehen wird er offenbar ziemlich freihändig (es gibt jedenfalls keine näheren Regularien) an Anwälte und Notare, die sich, so verlautet aus dem Bereich „Orden und Ehrenzeichen“ der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz, im Verlauf ihrer langjährigen Tätigkeit besondere Wertschätzung erworben und in den Standesorganisationen oder vergleichbaren Institutionen engagiert haben. Die Verleihungspraxis sei verfassungskonform, wird noch schnell nachgeschoben.

In die Satzungsversammlung gelangte das Thema auch durch die Eingabe eines Anwalts aus Rheinland-Pfalz, der den Titel aus verschiedenen Gründen kritisch sieht. Der Ausschuss, dem auch eine Justizrätin und ein Justizrat angehören, befand aber, die Sache habe keine substanzielle Bedeutung. Obwohl der „Petent“, so hieß es in einem Schreiben aus der Bundesrechtsanwaltskammer, aufgrund seines vielfältigen Engagements den Titel verdient habe. Vielleicht steckte dahinter ein subtiler Versuch der gütlichen Beilegung, nach dem Motto: Gebt ihm doch auch diesen Titel, dann gibt er vielleicht Ruhe. Dabei war das gar nicht dessen Anliegen. Überhaupt versuchte die BRAK, bei der die Satzungsversammlung angesiedelt ist, das Thema zu relativieren. Der Justizrat sei nichts anderes als ein Verdienstorden, so ihr Vertreter. Das ist ein interessantes Verständnis, denn Verdienstorden sind auf Kanzleischildern, Briefbögen oder Webseiten eher ungewöhnlich.

Die Anwaltschaft ist übrigens nicht die einzige Berufsgruppe, die in den beiden Bundesländern in den Rang eines „Rats“ erhoben werden kann. Es gibt auch den „Ökonomierat“ und für Mediziner den „Sanitätsrat“. Der klingt allerdings nicht so attraktiv, da eher nach nichtärztlichem Personal im Rettungsdienst.

Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M..