Anmerkung von
RA Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Stuttgart
Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 49/2023 vom 14.12.2023
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Sachverhalt
Str. ist, ob die Beklagte dem Kläger für den Monat Juni 2021 Arbeitsentgelt aus einem Vergleich oder jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs schuldet. Am 7.1.2021 vereinbarten die Parteien ein bis zum 31.7.2021 befristetes Arbeitsverhältnis. Im Hinblick auf das anstehende Ende des Arbeitsverhältnisses meldete sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit am 25.4.2021 online arbeitssuchend. Mit Schreiben vom 7.5.2021 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche, fristlose Kündigung aus und am 11.5.2021 zusätzlich eine hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.6.2021. Mit der Firma E. in S.G. kam dann ab 1.7.2021 ein neues Arbeitsverhältnis zustande. Arbeitslosengeld hatte der Kläger in der Phase seiner Nichtbeschäftigung nicht bezogen.
Am 27.5.2021 ging beim ArbG die gegen beide Kündigungen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers ein, die der Beklagten am 8.6.2021 zugestellt wurde. In diesem Rechtsstreit schlossen die Parteien im Kammertermin, nachdem vorherige Versuche – sowohl im Gütetermin als auch im Prozessgang bis zum Kammertermin – gescheitert waren, am 9.11.2021 den folgenden Vergleich:
„1. Die Parteien stellen außer Streit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die ordentliche fristgerechte Kündigung der beklagten Partei vom 11.5.2021 ohne Verschulden einer der Parteien mit Ablauf des 30.6.2021 sein Ende gefunden hat.
2. Die beklagte Partei verpflichtet sich zur ordnungsgemäßen Abrechnung und Auszahlung von Entgeltansprüchen an die klagende Partei, soweit dies noch nicht erfolgt sein sollte. Die Parteien sind sich darüber einig, dass eventuelle auf Dritte übergegangene Ansprüche bei der Auszahlung des Netto-Betrages an die klagende Partei zu berücksichtigen sind.
[…]
6. Damit sind alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund diese entstanden sein mögen, und gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.
7. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit bei Kostenaufhebung erledigt.“
Das Monatsentgelt des Klägers bei der Beklagten betrug zuletzt 2.458,67. EUR Sein Arbeitsentgelt für Mai 2021 zahlte die Beklagte. Dagegen rechnete sie für Juni 2021 kein Arbeitsentgelt ab. Vielmehr forderte sie den Kläger mit Schreiben vom 22.11.2021 auf, Auskunft über den anderweitigen Erwerb ab dem Ausspruch der Kündigung bis zum Beendigungstermin schriftlich und für den Fall, dass er keinen anderweitigen Verdienst habe erzielen können, Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Job-Center unterbreiteten Vermittlungsvorschläge zu erteilen. Der Kläger antwortete am 26.11.2021, er habe im Zeitraum ab der fristlosen Kündigung bis zum 30.6.2021 kein Arbeitslosengeld oder sonstige Leistungen erhalten und sei auch keinen Vermittlungsvorschlägen nachgegangen, da er ab dem 1.7.2021 wieder Vollzeit gearbeitet habe. Der Kläger beantragte beim ArbG die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Juni 2021 2.458,67 EUR brutto nebst Zinsen zu bezahlen. Das ArbG hat der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nach Ansicht des LAG aus zwei voneinander unabhängigen Gründen unbegründet. Erstens führe bereits der Vergleich vom 9.11.2021 dazu, dass die Beklagte dem Kläger einen angeblich von diesem böswillig unterlassenen Verdienst nicht mehr entgegenhalten durfte, weder als anspruchshindernd, noch indirekt über den Weg einer Einrede wegen Auskunftserteilung. Eine solche Auslegung gem. §§ 138, 157 BGB ergäbe sich vorliegend schon aus der Vorgeschichte des Vergleichs. Zweitens gäbe es keine Anhaltspunkte für ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes, noch sei die Einrede des nicht erfüllten Auskunftsanspruchs erfolgreich.
Praxishinweis
Im Ergebnis verdient die Entscheidung Zustimmung. Allerdings kommt es m.E. nicht so sehr auf die Vorgeschichte des Vergleichs an. Ziff. 2 ist m.E. ohne Weiteres so zu verstehen, dass auf Einwände nach § 615 S. 1 und 2 BGB, § 11 Nr. 1 und 2 KSchG verzichtet wird.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 6.12.2022 – 15 Sa 14/22 BeckRS 2022, 52287