Urteilsanalyse
Anordnung zum Tragen eines Mund-/Nasenschutzes
Urteilsanalyse
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Die Anordnung zum Tragen eines Mund-/Nasenschutzes im Sitzungssaal nach § 176 Abs. 1 GVG ist nach einem Beschluss des OLG Frankfurt a.M. nicht willkürlich und für alle Beteiligten bindend.

22. Nov 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 23/2022 vom 18.11.2022

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Sachverhalt

Ein Gericht verlangt von den Beteiligten im Rahmen seiner Sitzungsgewalt das Tragen eines Mund-/Nasenschutzes. Die Antragstellervertreterin ist dazu aber nicht bereit. Das Gericht vertagt daraufhin die Sitzung und beraumt einen neuen Termin an. Anschließend legt es der Antragstellerin gem. § 32 FamGKG eine Verzögerungsgebühr von 1,0 auf. Gegen diese Entscheidung beschwert sich die Antragstellerin. Ohne Erfolg.

Entscheidung: Die Voraussetzungen des § 32 FamGKG liegen vor!

Das Gesetz räume dem Vorsitzenden durch § 176 Abs. 1 GVG eine nicht von dem Hausrecht der Justizverwaltung abgeleitete Befugnis ein, im Sitzungssaal auch gegenüber Rechtsanwältinnen Maßnahmen anzuordnen, die der Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung des Verfahrensablaufs und dem Schutz der Verfahrensbeteiligten dienten. Die Anordnungen, in der mündlichen Verhandlung eine Mund-Nase-Bedeckung zum Schutz sämtlicher Beteiligten vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu tragen, gehöre zu diesen Maßnahmen (Hinweis ua auf BVerfG BeckRS 2020, 25212 und BayObLG BeckRS 2021, 25633).

Praxishinweis

Die Entscheidung entspricht hM (s. auch VGH Mannheim NJW 2022, 2865 Rn. 14; OVG Bautzen BeckRS 2022, 24841; OLG Celle NStZ-RR 2022, 57). Die Anordnung, in der mündlichen Verhandlung eine medizinische oder eine FFP2-Maske zu tragen, ist danach materiell rechtmäßig. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung iSv § 176 Abs. 1 GVG gehöre es, in Ansehung der Corona-Pandemie mögliche Infektionen der Verfahrensbeteiligten zu verhindern (BayObLG BeckRS 2021, 25633 Rn. 9). Die sitzungspolizeiliche Anordnung einer Maskenpflicht verstoße auch nicht gegen das Verhüllungsverbot aus § 176 Abs. 2 S. 1 GVG (BayObLG BeckRS 2021, 25633 Rn. 9; s. auch OVG Bautzen BeckRS 2022, 24841 Rn. 8). Mit dem Verhüllungsverbot werde das Ziel verfolgt, den Vorsitzenden zu entlasten, der nicht mehr gezwungen sei, im Interesse der Sachaufklärung ein Verhüllungsverbot auszusprechen und im Einzelfall zu begründen. Zudem ergebe sich aus § 176 Abs. 2 S. 2 GVG, dass das Verhüllungsverbot unter den dort genannten Maßgaben zur Disposition des Vorsitzenden stehe.

Eine sitzungspolizeiliche Verfügung des Vorsitzenden, den Zutritt zum Sitzungssaal vom Nachweis eines negativen Tests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 abhängig zu machen, soll im Übrigen auch von § 176 Abs. 1 GVG gedeckt sein (OLG Rostock BeckRS 2021, 37695 Rn. 13 ff.; OLG Celle NStZ-RR 2022, 57).


OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 27.09.2022 - 7 WF 116/22 (AG Melsungen), BeckRS 2022, 29018