Anmerkung von
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
Aus beck-fachdienst Erbrecht 05/2021 vom 21.5.2021
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Sachverhalt
Die Kläger nehmen die beklagte Bank auf Auszahlung eines Girokontoguthabens in Anspruch.
Sie sind die unbekannten Erben des im ersten Quartal 2018 verstorbenen T. N., der bei der Beklagten ein Girokonto unterhielt. Die Kläger werden durch Rechtsanwalt B. vertreten, der zum Nachlasspfleger bestellt worden ist.
Der Nachlasspfleger forderte die Beklagte zur Auskunft und zur Auszahlung des auf dem Girokonto befindlichen Guthabenbetrags auf das für den Nachlass bei einer anderen Bank eingerichtete Treuhandkonto auf. Er übermittelte der Beklagten die Bestallungsurkunde des Amtsgerichts sowie eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises. Die Beklagte teilte im Oktober 2018 mit, das Girokonto weise ein Guthaben i.H.v. 1.112,42 EUR auf, für eine Auszahlung fehle aber eine legitimierte Unterschrift des Nachlasspflegers. Sie bat ihn um Übersendung einer von einem P. Finanzcenter bestätigten Kopie seines Personalausweises. Der Nachlasspfleger kam dieser Aufforderung nicht nach, forderte die Beklagte aber erneut erfolglos zur Auszahlung bis zum 04.01.2019 auf.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 1.112,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 an die Kläger verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstreben.
Entscheidung: Die Beklagte kann die für die Auszahlung nach dem Geldwäschegesetz erforderliche Identitätsüberprüfung des für die Kläger bestellten Nachlasspflegers anhand der eingereichten Unterlagen nicht ordnungsgemäß durchführen
Die Beklagte ist gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG vor der Auszahlung des Guthabens zur Identifizierung des Nachlasspflegers als für die Erben auftretende Person verpflichtet.
Dabei kann dahinstehen, ob mit dem Erbfall eine neue Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 GwG zwischen dem kontoführenden Kreditinstitut und den Erben begründet wird, oder ob dies jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn - wie vorliegend - das Konto nicht fortgeführt, sondern aufgelöst werden soll. Denn auch wenn in der vorliegenden Fallkonstellation die Begründung einer (neuen) Geschäftsbeziehung verneint würde, ergäbe sich die Identifizierungspflicht hier jedenfalls entweder aus § 10 Abs. 3a Satz 2 Nr 1 GwG, weil sich durch den Tod des Kontoinhabers, den Eintritt der Erben in dessen vertragliche Rechtsstellung) und die Bestellung des Nachlasspflegers maßgebliche Umstände bei dem Kunden geändert haben, oder - wenn im Hinblick auf die begehrte Auflösung des Kontos sowohl die Begründung als auch der Fortbestand einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung zwischen den Erben und der Beklagten verneint würde - aus § 10 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a GwG.
Die Identifizierungspflicht besteht unabhängig davon, dass es sich bei der zu identifizierenden Person um einen gerichtlich bestellten Nachlasspfleger handelt.
Gemäß § 1 Abs. 3 GwG besteht die Identifizierung einer Person i.S.d. Gesetzes zum einen aus der Feststellung der Identität durch Erheben von Angaben und zum anderen aus der Überprüfung der Identität. Diese Erhebung ist der Beklagten hier aufgrund der vom Nachlasspfleger übersandten Unterlagen - der Bestallungsurkunde und der Kopie seines Personalausweises - möglich. Die darüber hinaus erforderliche Überprüfung der Identität einer natürlichen Person hat gemäß §§ 12 Abs. 1 und 3, 13 GwG zu erfolgen. Die Übersendung einer notariell beglaubigten Ablichtung des Personalausweises durch den Nachlasspfleger der Beklagten ermöglicht nicht, eine diesen Vorschriften entsprechende Identitätsüberprüfung vorzunehmen. Zwar ist ein Personalausweis ein Dokument, anhand dessen die Überprüfung der Identität erfolgen kann. Dies setzt allerdings nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG voraus, dass dem Verpflichteten der Ausweis im Original von der zu identifizierenden Person vorgelegt wird. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG, wonach die Identität durch Prüfung „des vor Ort vorgelegten Dokuments“ zu überprüfen ist. Damit ist das Originaldokument gemeint. Die Prüfung anhand einer einfachen oder beglaubigten Ablichtung ist in der seit dem 26. Juni 2017 geltenden Fassung des GwG nicht mehr erwähnt.
Die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises stellt kein sonstiges Verfahren i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG dar. Bei Schaffung dieser Regelung ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den technischen Fortschritt nach Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift auch andere geeignete Verfahren zulässig sind, die ein der in Abs. 1 Nr. 1 vorgesehenen Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweisen (BT-Drucks. 18/11555, S. 119). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers fallen hierunter ein elektronisches Identifizierungssystem, schon nach der bisherigen Rechtslage zulässigen Nachweise sowie die Überprüfung durch Videoidentifizierungsverfahren. Die Übersendung einer - wenn auch notariell - beglaubigten Ablichtung des Personalausweises kann nicht als sonstiges Verfahren angesehen werden, da dieses Vorgehen kein dem in § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG genannten Verfahren gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist.
Die notariell beglaubigte Ablichtung des Personalausweises ermöglicht der Beklagten auch nicht deshalb eine den Anforderungen der § 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 GwG entsprechende Überprüfung der Identität des Nachlasspflegers, weil dieser der Beklagten zusätzlich die Bestallungsurkunde vorgelegt hat. Die Bestallungsurkunde des Nachlasspflegers ist kein amtlicher Ausweis i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG. Überdies ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GwG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Zahlungskonto-Identitätsprüfungsverordnung (ZIdPrüfV), dass die Vorlage der Bestellungsurkunde nicht die Überprüfung der Identität des Nachlasspflegers anhand einer der in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG genannten Mittel ersetzen kann.
Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass hier gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GwG die Vorlage der notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises und der Bestallungsurkunde zur Identifizierung des Nachlasspflegers genüge. Danach können Verpflichtete bei Anwendbarkeit der vereinfachten Sorgfaltspflichten gemäß § 14 Abs. 1 GwG den Umfang der Maßnahmen, die zur Erfüllung der allgemeinen Sorgfaltspflichten zu treffen sind, angemessen reduzieren und insbesondere die Überprüfung der Identität auf der Grundlage von sonstigen Dokumenten, Daten oder Informationen durchführen, die von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen und für die Überprüfung geeignet sind. Vorliegend kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass die Geschäftsbeziehung bzw. Transaktion tatsächlich mit einem geringeren Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung verbunden ist. Dagegen spricht, dass die Kläger selbst bisher unbekannt sind und daher insoweit überhaupt keine Identifizierung möglich ist. Zudem ist der Umstand, dass kein persönlicher Kontakt stattfindet und auch kein Verfahren zur Identifizierung aus der Ferne oder auf elektronischem Weg eingesetzt wird, gerade ein Anzeichen für ein potenziell höheres Risiko nach § 15 GwG.
Die Weigerung der Beklagten, die Identitätsüberprüfung des Nachlasspflegers anhand der notariell beglaubigten Kopie seines Personalausweises und der Bestallungsurkunde vorzunehmen, stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar. Denn die Vorlage des Personalausweises kann in einer beliebigen Filiale der bundesweit flächendeckend agierenden Beklagten erfolgen, so dass bei künftigen Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen eine erneute Identifizierung nicht zwingend erforderlich ist. Überdies stehen gerade einem berufsmäßigen Nachlasspfleger, der den Aufwand für Identitätsüberprüfungen vermeiden möchte, mit den in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GwG vorgesehenen Mitteln mehrere Alternativen zur Verfügung, insbesondere der elektronische Identitätsnachweis nach § 18 Personalausweisgesetz, um die Identifizierung einer physisch nicht anwesenden Person zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/10489, S. 23, 49).
Praxishinweis
Dieses höchstrichterliche Urteil ist für die Nachlassabwicklung von allergrößter Bedeutung, weil nicht nur – wie hier – Nachlasspfleger für (noch) unbekannte Erben vor dem Problem der Legitimation gegenüber den Banken stehen, sondern alle Testamentsvollstrecker und Erben gleichermaßen. Der Senat hat sich nämlich mit dieser Entscheidung zur uneingeschränkten Anwendung des Geldwäschegesetzes auf alle Fälle der Nachlassabwicklung bekannt. Ab sofort haben sich die Banken ebenso wie alle Erben, Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger strikt an die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes zu halten, wenn es um die Verfügung über Nachlasskonten geht. Auch Versicherungen und Fondsgesellschaften sind von dieser Entscheidung betroffen.
An dieser Stelle ist aber hervorzuheben, dass es in diesem Rechtsstreit nur um die Legitimation zum Zwecke der Verfügung über das Konto gegangen ist, nicht aber um die Legitimation als Nachlasspfleger zum Zwecke der Auskunftserteilung. Die Auskunft hat die Bank auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen dem Nachlasspfleger völlig unstreitig erteilt, weil das Identifizierungserfordernis nach dem Geldwäschegesetz nur für Verfügungsgeschäfte gilt.
Der zeitliche Aufwand vor allem für die Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger wird sich in Folge dieser Entscheidung deutlich erhöhen. Deshalb ist es zu begrüßen, dass der Senat auch die Banken in die Pflicht genommen hat, diesen Amtsinhabern, aber auch den Erben die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GwG vorgesehenen alternativen Identifizierungsmittel tatsächlich zur Verfügung zu stellen, um die Identifizierung einer physisch nicht anwesenden Person zu ermöglichen. Der Senat nennt dabei ausdrücklich den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 Personalausweisgesetz mit dem Personalausweis mit ID-Funktion. Jedoch kann man zurzeit die Banken und Versicherungen, die einen Identitätsnachweis mit dem elektronischen Personalausweis ermöglichen, noch an einer Hand abzählen. Dies wird sich auf der Grundlage dieser höchstrichterlichen Entscheidung schnellstmöglich ändern müssen, weil andernfalls der Aufwand für Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschreitet und es damit unzulässig werden wird, dem Amtsinhaber bzw. den Erben eine weite Anreise zur örtlichen Bank oder Versicherung allein zum Zwecke der Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz zuzumuten.
Den Gang zur örtlichen Filiale einer Bank hält der Senat ausdrücklich für zumutbar. Gleiches muss man vom Postbank-Identifizierungsverfahren annehmen. Dabei sendet die Bank usw. dem zu Identifizierenden die auszufüllenden Unterlagen und einen Postident Coupon per Post zu. Unter dessen Vorlage überprüft bei einer Postfiliale der Mitarbeiter die Identität anhand des persönlich vorzulegenden Personalausweises oder Reisepasses.
Bei im Ausland wohnenden Erben und Testamentsvollstreckern scheidet ein Gang zur örtlichen Filiale oder das Postbank-Identifizierungsverfahren als zumutbare Identifizierungsmöglichkeit nach dem Geldwäschegesetz allerdings aus. Insoweit bleibt eigentlich nur die Identifikation auf der Grundlage des § 18 Personalausweisgesetz mit dem elektronischen Ausweis als zumutbare Alternative i.S.d. § 12 GwG. Ob die bislang ebenfalls angebotenen Videoidentifizierungsverfahren (z.B. Post-Ident) die Schaffung der Legitimation durch Einsatz des elektronischen Personalausweises nach dieser Entscheidung vollständig ersetzen können, kann dabei nur von Fall zu Fall entschieden werden. Jedenfalls ist damit zu rechnen, dass in nicht allzu ferner Zukunft darüber neuer Streit entstehen wird, was Erben, Testamentsvollstreckern oder Nachlasspflegern im Rahmen des Geldwäschegesetzes zumutbar ist.
Besser wäre es deshalb, wenn im Zuge der ohnehin dringend erforderlichen Digitalisierung Deutschlands auch alle Banken und Versicherungen die elektronische Ausweisfunktion des Personalausweises in ihre Software als Identifikationsmittel integrieren würden, um den bürokratischen Aufwand der Nachlassabwicklung in vertretbaren Grenzen zu halten, zumal diese höchstrichterliche Entscheidung zur Folge hat, dass ab sofort Hunderttausende von Personen sich anlässlich eingetretener Erbfälle Jahr für Jahr in dieser Weise zusätzlich bei den unterschiedlichsten Finanzinstituten identifizieren lassen müssen.
BGH, Urteil vom 20.04.2021 - XI ZR 511/19, BeckRS 2021, 10852