Urteilsanalyse
Anforderungen an die Darlegung pandemiebedingter Zahlungsschwierigkeiten im Mietverhältnis
Urteilsanalyse
Lorem Ipsum
© Stefan Yang / stock.adobe.com

Ein Einkommensrückgang aufgrund Kurzarbeit erklärt in keiner Weise den Einbehalt der vollständigen Miete. Einem noch anteilig zahlungskräftigen Mieter ist nach Ansicht des Landgericht Hanau zuzumuten, jedenfalls anteilig Zahlungen zu leisten.

30. Jul 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 15/2021 vom 29.07.2021

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Der Wohnraummieter leistete im Zeitraum April bis Juni 2020 keine Mietzahlungen und begründete dies mit einem Einkommensrückgang aufgrund einer coronabedingten Einführung der Kurzarbeit bei seinem Arbeitgeber. Der Vermieter kündigte daraufhin aufgrund Zahlungsverzugs den Mietvertrag. Der Beklagte erklärte in der mündlichen Verhandlung, Grund der Nichtzahlung seien u.a. technische Probleme beim Geldtransfer; er sei schon seit Beginn der Pandemie nicht in der Lage gewesen, Geld am Geldautomaten abzuheben. Zudem habe seine Ehefrau kein Gehalt mehr bekommen. Die Räumungsklage des Vermieters hatte erstinstanzlich Erfolg. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Beklagte habe schon nicht schlüssig dargelegt, dass das Unterlassen der Zahlung der fälligen Mieten auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhe. Rechtsfehlerfrei habe das Amtsgericht festgestellt, dass der Beklagte als Grund für die Nichtzahlung der Miete keineswegs primär finanzielle Schwierigkeiten angegeben habe, sondern vielmehr technische Probleme beim Geldtransfer. So habe er erklärt, dass er nicht etwa erst nach Anordnung von Kurzarbeit Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe, sondern schon seit Beginn der Pandemie nicht mehr in der Lage gewesen sei, Geld am Geldautomaten abzuheben, und auch keine telefonischen oder Online-Überweisungen habe tätigen können. Dass eigene Kurzarbeit pandemiebedingte Ursache für die Nichtzahlung von Miete gewesen sei, sei auch vor dem Hintergrund nicht ohne weiteres einsichtig, da der Beklagte selbst weiter erklärt habe, dass seine damals schwangere Ehefrau ihrerseits ab April 2020 kein Gehalt mehr bekommen habe, wobei diesbezüglich vom Beklagten ein Bezug zur Pandemie in keiner Weise hergestellt worden sei.

Der Vortrag sei insgesamt widersprüchlich und eigne sich nicht, zumindest eine Mitursächlichkeit der Pandemie für die Zahlungsunfähigkeit des Beklagten anzunehmen, um eine zahlungsausfallbedingte Kündigung zu sperren.

Der Beklagte habe nach eigenen Angaben trotz Anordnung der Kurzarbeit weiterhin immerhin 67% seines Lohns erhalten, wobei der Einkommensrückgang zwischen 400,00 EUR und 500,00 EUR pro Monat betragen habe. Ein solcher Einkommensrückgang erkläre nicht den Einbehalt der vollständigen Miete, die sich auf insgesamt 1.500,00 EUR belaufe. Ihm sei damit zumutbar und er sei auch in der Lage gewesen, jedenfalls anteilig Zahlungen zu leisten.

Dies sei auch vor dem Hintergrund beachtlich, dass der Beklagte vorgerichtlich mehrfach vom Kläger gebeten worden sei, die Zahlungseinstellung aufzuklären. Dieser Bitte sei der Beklagte nicht nachgekommen, er habe sich durchweg in Schweigen gehüllt. Die Kündigung sei daher wirksam gewesen.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist zuzustimmen.

Gemäß Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Die Kausalität zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung ist gemäß Satz 2 vom Mieter glaubhaft zu machen.

Auch wenn der Mieter diese Kausalität glaubhaft macht, kann sie entfallen, wenn er hinreichende liquide Mittel hat, die ihm erlauben, auch ohne oder mit reduzierten Einkünften die laufenden Mietverbindlichkeiten zu tilgen (Gelb in BeckOGK, 01.04.2021 , Art 240 § 2 EGBGB Rn 35; Artz in Covid-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Auflage 2021, § 3 Rn 40a; Schmidt-Kessel/Möllnitz NJW 2020, 1103, 1106; aA OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.10.2020 – 13 U 3078/20, BeckRs 2020, 29175).

Liquide Mittel sind dabei nur solche, aus denen die monatliche Mietschuld unmittelbar getilgt werden kann, ohne dass sich dies durch Kündigungsfristen oder die Notwendigkeit, Vermögensgegenstände zu veräußern, verzögert (Gelb, aaO). Unzumutbar und nicht dem Gesetzeszweck entsprechend wäre es, vom Mieter zu verlangen, jegliches pfändbare Vermögen einzusetzen, um die Miete zu begleichen (Artz, aaO; Häublein in Münchner Kommentar, 1. Auflage 2020, Art. 240 § 2 EGBGB Rn 20).

Vorliegend hat der Mieter jedoch zur Kausalität nicht rechtserheblich vorgetragen, weshalb der Räumungsklage stattzugeben war. Dem Gericht ist auch darin zuzustimmen, dass es dem Mieter zumutbar ist, zumindest anteilige Mietzahlungen zu tätigen, sofern er hierzu in der Lage ist.

LG Hanau, Beschluss vom 11.01.2021 - 2 S 105/20 (AG Hanau), BeckRS 2021, 10072