Urteilsanalyse
Anforderungen an Zurückweisungsbeschluss nach § 520 II 1 ZPO
Urteilsanalyse
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Ein Zurückweisungsbeschluss nach § 522 II 1 ZPO, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden kann, muss laut BGH nach § 522 II 4 ZPO jedenfalls i.V.m. einem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss neben einer Bezugnahme auf die Feststellungen des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen zumindest sinngemäß erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat.

4. Jun 2020

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 11/2020 vom 29.05.2020

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Sachverhalt

K wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der B aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss. Die Parteien streiten, ob eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung den Anspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erfasst. Das AG weist die Klage ab. Es meint, die vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung sei eng zu verstehen. Die dagegen gerichtete Berufung weist das LG gem. § 522 II 1 ZPO nach vorherigem Hinweis zurück.

K macht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend, der LG-Beschluss genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen, sei sachlich objektiv willkürlich und verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Denn das LG habe weder in seinem Zurückweisungs- noch und in seinem vorangehenden Hinweisbeschluss seine Anträge und seinen Vortrag gegen das erstinstanzliche Urteil wiedergegeben und habe auch von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Mitteilung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen abgesehen.

Entscheidung: Der Zurückweisungsbeschluss war ungenügend!

Darstellung der Grundsätze

Nach § 540 I 1 Nr. 1 ZPO sei es möglich, in einem Berufungsurteil die tatsächliche Feststellungen durch Bezugnahme auf das Urteil der ersten Instanz zu ersetzen, verbunden mit erforderlichen Berichtigungen, Änderungen und Ergänzungen, die sich aus dem Vortrag der Parteien und aus einer etwaigen Bezugnahme auf Schriftsätze vor dem Berufungsgericht ergeben. Weiter müsse das Berufungsurteil erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen sei, und die Anträge, die die Parteien im Berufungsverfahren gestellt haben, müssten zumindest sinngemäß deutlich werden (Hinweis ua auf BGH, BeckRS 2017, 130746 Rn. 3 und BGH NJW 2016, 3787 Rn. 4 = FD-ZVR 2016, 382423 [Ls.]). Das gelte nach § 522 II 4 ZPO auch für einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 II ZPO (Hinweis ua auf BGH BeckRS 2019, 13264 Rn. 12).

Anwendung im Fall

Der Zurückweisungsbeschluss sei danach auch iVm dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss als ungenügend anzusehen. Keiner der jeweils nur aus wenigen Zeilen bestehenden Beschlüsse enthalte eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, eine Darstellung etwaiger Änderungen bzw. Ergänzungen oder die Wiedergabe der Berufungsanträge. Auch aus den insgesamt vier Sätzen der Beschlussgründe ließen sich weder die im Berufungsverfahren gestellten Anträge noch K‘s Berufungsvorbringen und auch nicht die tatsächlichen Feststellungen entnehmen, auf denen die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhen solle. Die Erwähnung des erstinstanzlichen Urteils im Ausspruch im Beschlusstenor reiche insoweit nicht.

Praxishinweis

Ein die Berufung zurückweisender Beschluss nach § 522 II 1 ZPO ist gem. § 522 II 3 ZPO zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach § 522 II 2 ZPO enthalten sind. Unterliegt der Zurückweisungsbeschluss der Anfechtung, hat er nach § 522 II 4 ZPO, ebenso wie das Berufungsurteil nach § 540 I 1 Nr. 1 ZPO, eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten; auch im Übrigen gelten dieselben Inhaltsanforderungen an einen Zurückweisungsbeschluss wie bei einem Berufungsurteil (BGH NJW 2016, 2254 Rn. 6). Der Beschluss muss, unter Umständen gemeinsam mit den Ausführungen in dem Hinweisbeschluss, zumindest sinngemäß erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH NJW-RR 2018, 1087 Rn. 6 = FD-ZVR 2018, 407689 mAnm. Elzer; NJW 2016, 3787 Rn. 6 = FD-ZVR 2016, 382423 [Ls.]; BGH NJW 2016, 2254 Rn. 14).

An diese Grundsätze erinnert die Entscheidung. Ferner enthält sie hier nicht berichtete Ausführungen zu Art. 103 GG. Insgesamt scheint Karlsruhe die Art geärgert zu haben, wie man am LG den K behandelt hatte. Die Erwähnung von „wenigen Zeilen“ und von „vier Sätze“ deuten darauf hin, dass ein rechtssuchender Bürger jedenfalls in der Regel eine längere Begründung von einem Berufungsgericht erwarten darf. Insoweit mag hier ggf. der Hinweis erlaubt sein, dass es einem Berufungsgericht zwar Zeit kostet, kurz und knapp auszuführen, worum es geht, wie die erste Instanz die Sach- und Rechtslage beurteilt hat und welche Anträge gestellt sind. Dieser Bericht ist aber sinnvoll, ist eine gute Selbstkontrolle und führt häufig zu einer besseren Entscheidung. Dies gilt natürlich, wenn eine Entscheidung nach § 522 II 1 ZPO anfechtbar ist. Es gilt aber auch, wenn es nicht so ist.

BGH, Beschluss vom 17.03.2020 - XI ZR 226/19, BeckRS 2020, 8348