Urteilsanalyse
Anforderungen an das Bestreiten der Wertlosigkeit einer Forderung
Urteilsanalyse
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Beim Bestreiten der Unentgeltlichkeit einer Leistung i.S.d. § 134 InsO bei Zahlungen für einen Dritten durch den Anfechtungsgegner hängt der erforderliche Detaillierungsgrad nach einem Urteil des BGH vom Vortrag des darlegungsbelasteten Insolvenzverwalter ab. Der Bestreitende genügt seiner Substantiierungspflicht wenn er Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, die von der anderen Seite geltend gemachte Wertlosigkeit der befriedigten Forderung als nicht bestehend erscheinen zu lassen. Es ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. 

3. Mai 2023

Rechtsanwalt Karsten Kiesel, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 08/2023 vom 27.04.2023

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Sachverhalt

Der klagende Insolvenzverwalter der G. GmbH fordert von der beklagten Vermieterin Erstattung von Zahlungen, die auf rückständige Mietverbindlichkeiten der G. GbR geleistet wurden. Die Anfechtbarkeit stützt der Insolvenzverwalter zunächst auf § 131 InsO. Nachdem die Beklagte geltend gemacht hatte, sie sei keine Insolvenzgläubigerin, wurde die Anfechtbarkeit vom Kläger hilfsweise auf § 134 InsO gestützt. Die Unentgeltlichkeit begründete der Kläger damit, dass die Mieterin nicht in der Lage gewesen sei, ihre Mietschulden zu begleichen. Der Schriftsatz mit den entsprechenden Ausführungen wurde der Beklagten nicht zur Kenntnis gegeben. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass § 134 InsO in Erwägung gezogen werden könne, wenn der Anspruch der Beklagten gegen die Mieterin wertlos gewesen sei.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte mit der Begründung, es sei unstreitig, dass die Mieterin zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht in der Lage gewesen sei, die Forderungen zu begleichen.

Erst im Berufungsverfahren erhob die Beklagte verschiedene Einwendungen gegen die Wertlosigkeit der Mietforderungen. Insbesondere sei die Mieterin zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht zahlungsunfähig gewesen. Das Berufungsgericht lies den Beklagtenvortrag nicht zu und wies die Berufung im Beschlussweg zurück.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügte die Beklagte erfolgreich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dies führte zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Entscheidung

Der Senat stellt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Beklagten durch das Landgericht fest, indem es der Beklagten unbekannten Klägervortrags bei der Entscheidung verwertet hat. Der Vortrag der Beklagten zur Zahlungsunfähigkeit der Mieterin habe vom Berufungsgericht nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen werden müssen. Dieser Fehler sei ursächlich dafür gewesen, dass die Beklagten nicht zu den Voraussetzungen des § 134 InsO und insbesondere nicht zur Frage der Wertlosigkeit ihrer Ansprüche gegen die Mieterin vorgetragen haben.

Das Landgericht habe zwar nach der auf § 131 InsO gestützten Klage den Sachverhalt auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten würdigen können. Jedoch habe die Klageschrift keine Anhaltspunkte dafür geboten, dass der Kläger die Klage auch auf eine unentgeltliche Zuwendung stützen wollte. Der Kläger habe in der Klageschrift nicht vorgetragen, dass die Mieterin im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen zahlungsunfähig und der gegen diese gerichtete Anspruch der Beklagten auf rückständige Mieten wertlos gewesen sei. Nachdem aus Sicht der Beklagten jeglicher Vortrag dazu im Termin zur mündlichen Verhandlung fehlte, habe es trotz des gerichtlichen Hinweises, dass es auf die Werthaltigkeit der getilgten Mietforderung ankommen könne, eines Bestreitens nicht bedurft. Durch die insoweit unrichtige Anwendung der Präklusionsvorschriften sei der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art 103 Abs. 1 GG verletzt.

Dies sei auch entscheidungserheblich, da die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, das Bestreiten der Zahlungsunfähigkeit sei nicht hinreichend substantiiert erfolgt, als offensichtliche unrichtige Handhabung der Substantiierungsanforderungen ebenfalls eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstelle.

Die Höhe der Erklärungslast gem. § 138 Abs. 2 ZPO richte sich nach dem Vortrag der ursprünglich darlegungsbelasteten Partei. Die andere Partei genüge ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen. Unerheblich sei die Wahrscheinlichkeit der Darstellung und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruhe. Genüge das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, könne der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.

Die Darstellung der Beklagten, die Mieterin sei nicht zahlungsunfähig gewesen, sei nicht ausgeschlossen und die Beklagte habe sich auf eine Zeugenaussage berufen. Da der Schuldner eine gegen einen Dritten gerichtete Forderung getilgt habe, müsse der für die Unentgeltlichkeit darlegungs- und beweisbelastete Insolvenzverwalter auch beweisen, dass die Forderung gegen die Mieterin wertlos war.

Praxishinweis

Zahlungen eines späteren Insolvenzschuldners für einen eigentlich zahlungspflichtigen Dritten sind häufig Gegenstand einer Anfechtung als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO. Für die Unentgeltlichkeit von Zahlungen im Drei-Personen-Verhältnis muss der Insolvenzverwalter des Zahlenden die Unentgeltlichkeit darlegen und ggf. nachweisen. In der Regel stützt dieser die Unentgeltlichkeit von Zahlungen auf die Wertlosigkeit der befriedigten Forderung des Anfechtungsgegners gegen den eigentlich Zahlungspflichtigen und dies wiederum auf eine zum Zahlungszeitpunkt vorliegende Insolvenzreife.

Gelingt dem Insolvenzverwalter diese Darlegung, obliegt es dem Anfechtungsgegner ggf. zu beweisen, dass die befriedigte Forderung doch nicht wertlos war bzw. die Leistung trotz der Insolvenzreife entgeltlich erfolgt ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Zahlungsempfänger eine eigene Verbindlichkeit getilgt hat (BeckRS 2020, 26874), er seine Forderung durch Aufrechnung hätte befriedigen können (BeckRS 2013, 8688), für seine Forderung über eine werthaltige Sicherheit verfügte (BeckRS 2014, 9238) oder er für die Zahlung noch eine ausgleichende Gegenleistung wie eine Gebrauchsüberlassung zu erbringen hatte (BeckRS 2013, 4307).

BGH, Beschluss vom 23.02.2023 - IX ZR 136/22 (OLG Düsseldorf), BeckRS 2023, 5593