Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 17/2022 vom 01.09.2022
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Straßenverkehrsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Straßenverkehrsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Straßenverkehrsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
ZPO § 520
Sachverhalt
Der Beklagte ist Gebrauchtwagenhändler und wird hier in Anspruch genommen, weil er im November 2020 einen BMW 118d mutmaßlich mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung an den Kläger weiter veräußerte. Der Händler hatte das Fahrzeug im August 2014 erworben, zwischenzeitlich aber wieder veräußert.
Das Landgericht hatte die Schadenersatzklage des Klägers abgewiesen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Klägers wurde vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen. Auch mit der dagegen erhobenen Rechtsbeschwerde hat der Kläger vor dem BGH keinen Erfolg.
Rechtliche Wertung
Das OLG hatte die Berufung verworfen, weil die Berufungsbegründung die Umstände nicht benannt habe, aus denen heraus sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit auf die angefochtene Entscheidung ergibt. Es hätten konkrete Anhaltspunkte bezeichnet werden müssen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen aufzeigen. Ob die Behauptungen in sich schlüssig und rechtlich haltbar seien, sei dabei noch nicht entscheidend. Es müsse nur auf die einzelnen Umstände zur Begründung des Rechtsmittels abgestellt werden.
Wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage gar auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen stütze, müsse die Berufungsbegründung in gleicher Weise jede dieser tragenden Erwägungen angreifen. Sonst sei das Rechtsmittel nicht zulässig.
Hier sei das angegriffene Urteil auf zwei Erwägungen gestützt. Zunächst darauf, dass der Kläger behaupte, eine unzulässig verbaute Abschaltvorrichtung sei in diesem Fahrzeug vorhanden gewesen. Außerdem sei in der Person des Klägers kein Schaden entstanden, denn das Fahrzeug sei in der Zwischenzeit weiter veräußert worden und es sei unangemessen, trotz Veräußerung des Fahrzeugs ohne behaupteten wesentlichen Mindererlös im Nachhinein die Rückzahlung des kompletten Kaufpreises unter Abzug von Nutzungen zu fordern.
Auf all diese Gesichtspunkte aber sei in der Berufung nicht eingegangen worden. Die Berufung sei zwar in einem 134-seitigen Schriftsatz niedergelegt worden. Auf den Einzelfall bezogen sei aber nicht hinreichend vorgetragen worden.
Im Übrigen sei in der Berufungsbegründung auch pauschal auf erstinstanzielles Vorbringen in einem Schriftsatz vom 20.01.2021 verwiesen worden. Auch dies sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH keine zulässige Berufungsbegründung. Dazu komme noch, dass es einen Schriftsatz vom 20.01.2021 gar nicht gebe.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist für die Praxis wesentlich. Der BGH legt den Finger in die Wunde derjenigen anwaltlichen Schriftsätze, in denen Bauteile zusammengesetzt werden, aber keinen rechten Sinn und keine tragende Begründung ergeben.
BGH, Beschluss vom 23.06.2022 - VII ZB 43/21 (OLG Koblenz), BeckRS 2022, 19715