NJW-Editorial
Analoge anwaltliche Honorarnote
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Die Corona-Pandemie hat auch in der Rechtspflege einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Ein Anachronismus im elektronischen Rechtsverkehr bleibt die analoge Anwaltsrechnung. Das Unterschriftserfordernis für die anwaltliche Honorarnote sollte auch im Sinne der Mandanten bei nächster Gelegenheit dem – sicherlich digital geführten – Federstrich des Gesetzgebers zum Opfer fallen.

12. Mai 2022

Die Corona-Pandemie hat nicht nur in der freien Wirtschaft einen Digitalisierungsschub ausgelöst, sondern auch in der Rechtspflege. Der Einsatz von Videokonferenzen oder Kollaborationstools ist für die Mehrzahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte alltäglich geworden, und auch die Justiz hat mit der Gerichtsverhandlung unter zeitgleicher Bild- und Tonübertragung in das Sitzungszimmer (zB nach § 128a ZPO) wertvolle Erfahrungen gesammelt. Als ausgesprochen hilfreich für ein dezentrales Arbeiten des Anwalts hat sich das beA erwiesen. Schriftsätze müssen nicht mehr zwecks Unterschrift auf Papier gedruckt, sondern können von überall aus ohne Medienbruch als elektronisches Dokument erzeugt und per beA bei Gericht eingereicht werden (zB § 130a ZPO). Eine handschriftliche Unterschrift ist nicht erforderlich, eine den Text abschließende Wiedergabe des Namens des Verantwortlichen genügt. Die Signatur erfolgt entweder elektronisch oder entfällt ganz, wenn ein sicherer Übermittlungsweg genutzt wird.

Wer bei seiner Rechtsberatung in großen Schritten Richtung papierloses Büro unterwegs ist, sieht sich jäh ausgebremst, wenn er das Mandat abrechnen will: Nach § 10 I 1 RVG müssen Anwaltsrechnungen eigenhändig vom Rechtsanwalt unterschrieben werden. Der BGH hat diese Unterzeichnung im Jahr 2004 – also drei Jahre vor der Markteinführung des iPhone – als ein hohes Gut angesehen: Durch seine Unterschrift „soll der Rechtsanwalt die zivilrechtliche, strafrechtliche und standesrechtliche Verantwortung für die Richtigkeit der Berechnung übernehmen“ (NJW-RR 2004, 1144). Bis zur Erteilung einer formrichtigen Rechnung ist ein Honoraranspruch nicht einklagbar, der Schuldner nicht im Verzug. Erforderlich ist also ein Medienbruch, der Rechtsanwalt muss die Rechnung drucken, unterschreiben, kuvertieren, frankieren und abschicken.

Zahlreiche Mandanten wünschen allerdings keine Papierrechnung mehr, beispielsweise weil sie eBilling-Portale verwenden, über die Rechnungen allein in elektronischer Form (zB im ­LEDES-Format) einzureichen sind; zusätzlich übersandte Honorarnoten in der Form des § 10 I 1 RVG sorgen bestenfalls für Belustigung. Auch im Steuerrecht ist die Unterschrift kein Erfordernis der ordnungsgemäßen Rechnungsstellung (§ 14 IV UStG), sondern es ordnet an, dass Rechnungen „auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln“ sind, § 14 I 7 UStG.

Das Berufsrecht der Steuerberater ist seit dem 1.7.2020 schon einen Schritt weiter, hier kann der Mandant auf eine vom Steuerberater eigenhändig unterschriebene Rechnung verzichten und deren Versand per E-Mail zustimmen, § 9 I 1 StBVV. Vor dem Hintergrund der voranschreitenden Anpassung des Rechts an die digitalisierte Lebens­wirklichkeit wirkt das Unterschriftserfordernis für die anwaltliche Honorarnote als ein Anachronismus, der bei nächster Gelegenheit dem – sicherlich digital geführten – ­Federstrich des Gesetzgebers zum Opfer fallen sollte!

Rechtsanwalt Prof. Dr. Dieter Leuering ist Partner von Flick Gocke Schaumburg, Bonn.