NJW-Editorial
Alles wandelt sich
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Foto: Susie Knoll

Die Überschrift dieses Gedichts von Bertolt Brecht passt auch zu der Frage, ob Justizministerinnen und Justizminister studierte Juristen sein müssen. Das wird derzeit diskutiert, weil von den vier grünen Ressortchefinnen und Ressortchefs in den Ländern nur der Berliner Senator Dr. Dirk Behrendt Jurist ist.

2. Jul 2020

Vor der Empörung steht allerdings die Frage, was man an der Spitze eines Ressorts und als Politiker im Allgemeinen können muss. Es gibt offenbar spezifische Fähigkeiten – das erkennt man daran, dass Quereinsteiger in die Politik in der Regel scheitern. Alle eint: Sie haben großen Sachverstand, aber kein Gespür für das „Politische“ entwickelt. Sie hatten weder Erfahrung mit (langen) Gremiensitzungen, noch wussten sie, wie Parteien ticken. Oder unterschätzten die Fallstricke der Mediendemokratie.

Politische Leitungsfunktionen sind Management-Aufgaben. Keiner stellt infrage, dass der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa einen Pharmakonzern leiten oder die Chefin von Opel auch erfolgreich Douglas führen kann. Auch Minister sind Manager. Man muss die Fähigkeit haben, aus dem einen Meter Akten pro Tag die eine rauszuziehen, bei der es Probleme geben könnte. Und natürlich muss man Mehrheiten und Konsens finden können. Sowohl für Gesetzesvorhaben als auch für Haushaltsverhandlungen braucht man Unterstützung. Dabei geht es nicht immer nur um fachliche Argumente, leider sind in der Politik häufig auch fachfremde Deals üblich – aber diese Möglichkeiten muss man identifizieren können. Also: Das Jurastudium alleine ist keine hinreichende Qualifikation.

Allerdings sollte man nach Bund und Ländern differenzieren. Auf Bundesebene würde ich immer zu einer ausgebildeten Juristin raten. Das Haus ist ein Gesetzgebungsministerium und hat zusätzlich die Aufgabe, die Gesetzentwürfe aller Ministerien zu prüfen, bevor sie ins Kabinett kommen. Da ist es mehr als hilfreich, wenn man sich als Hausleitung ohne Hilfe eine eigene Meinung bilden kann. Hinzu kommt: Die Bundesjustizministerin führt den Vorsitz im Richterwahlausschuss. Da nützt ein gut funktionierendes eigenes Netzwerk, um mit guten Personalvorschlägen den Platz zu besetzen.

In den Ländern gibt es andere Schwerpunkte: Gerade die Hälfte von ihnen hat ein Ministerium nur für Justiz. Migration, Demokratie, Europa, Gleichstellung – die Liste der zusätzlichen Aufgaben wird nach den nächsten Wahlen bestimmt ergänzt werden können. Justizministerien in den Ländern haben zwei große Themen: Die Verantwortung für den Strafvollzug und das Personal der Gerichte. Die Gesetzgebungstätigkeit ist – gemäß den Regelungen im Grundgesetz – in den Ländern nicht sehr ausgeprägt. In Anbetracht dieser Aufgaben können daher auch viele andere Studienabschlüsse für eine Hausleitung eine gute Voraussetzung sein. •

Brigitte Zypries war Bundeswirtschafts- und Bundesjustizministerin.