Urteilsanalyse
Akteneinsicht des Insolvenzverwalters in Prozessakten zwecks Begründung einer Anfechtung
Urteilsanalyse
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Einem Insolvenzverwalter kann, so das LG Düsseldorf, ein Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 2 ZPO als Drittem ohne Einwilligung der Parteien in eine Prozessakte zustehen, wenn der Vortrag im dortigen Klageverfahren zur Darlegung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Insolvenzanfechtung dient.

4. Mai 2022

Rechtsanwalt Karsten Kiesel, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 09/2022 vom 29.04.2022

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Sachverhalt

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter einer unternehmerisch tätigen Schuldnerin. Er beantragte Akteneinsicht in eine Prozessakte des LG Düsseldorf (2b O 236/18; „Ausgangsverfahren“), der vom Kläger in diesem Verfahren nicht zugestimmt worden war. Das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht wurde damit begründet, dass die Akteneinsicht zur Begründung einer Berufung gegen ein Urteil des LG Kiel („Sekundärverfahren“) in einem Anfechtungsprozess benötigt werde. Die Anfechtungsklage im Sekundärverfahren richtete sich gegen den Kläger Ausgangsverfahren.

Das LG bewilligte die beantragte Akteneinsicht und stellte deren tatsächliche Gewährung bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurück.

Entscheidung

Das LG Düsseldorf sah ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Akteneinsicht als glaubhaft gemacht an. Das erforderliche rechtliche Individualinteresse, welches sich unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben müsse, liege im Ergebnis vor.

Der Interessenkreis des Antragstellers müsse durch das Ausgangsverfahren nicht nur unwesentlich und konkret betroffen sein. Da das LG Kiel in dem Urteil, welches der Antragsteller anzugreifen beabsichtige, bei der Würdigung der Kenntnisse auf die Klageerhebung des dortigen Beklagten abgestellt habe, seien die Interessen des Antragsstellers im Ausgangsverfahren konkret berührt.

Dem Anspruch stünden auch keine überwiegenden Interessen der Prozessparteien im Ausgangsverfahren gegenüber. Die Beklagte habe der Akteneinsicht im Rahmen der Anhörung nicht widersprochen. Der Kläger im Ausgangsverfahren habe widersprochen und geltend gemacht, es handle sich beim Akteneinsichtsersuchen um eine Ausforschung zur Begründung eines Anspruchs. Im Urteil im Sekundärverfahren sei die Erhebung der Klage im Ausgangsverfahren berücksichtigt worden. Die Erforderlichkeit einer Kenntnisnahme vom Vorbringen des Klägers zur Auseinandersetzung mit dem Urteil im Rahmen der Berufungsinstanz im Sekundärverfahren sei nachvollziehbar dargestellt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trete hinter dem Interesse des Antragstellers auf Akteneinsicht zurück.

Praxishinweis

Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. (BeckRS 2016, 13542), wonach rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen eine Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 InsO ermöglichen können. Ein rein wirtschaftliches Interesse reicht dagegen nicht aus. Das BayOLG stellt zur Abgrenzung zutreffend darauf ab, ob ein rechtlicher Bezug zum Streitstoff der einzusehenden Akten besteht (BeckRS 2019, 20914). Ein solcher Bezug ist m.E. jedenfalls dann gegeben, wenn Inhalte des Ausgangsverfahrens im Rahmen der Entscheidungsfindung im Sekundärverfahren relevant werden können und der Antragsteller dies konkret darlegen kann.

LG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.02.2022 - 1451 E 1143 2021.274, BeckRS 2022, 7200