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Die Termine der 30. Kalenderwoche
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Parlamentsbeschlüsse, die der EU erlauben, neue Schulden zu machen, landen regelmäßig in Karlsruhe. So ist es auch bei der Zustimmung des Bundestags zu dem „Wiederaufbaufonds“ namens „Next Generation EU“. Der BGH verhandelt in der Berichtswoche über die Revision im Mordfall Walter Lübcke, das BAG einen Fall, den es eigentlich schon entschieden hat – eine prozessual eher seltene Konstellation.

Prof. Dr. Joachim Jahn, Mitglied der NJW-Schriftleitung, 21. Jul 2022.

Kreditermächtigung. Bis zu 750 Milliarden Euro darf die Europäische Union an neuen Schulden machen, um einen „Wiederaufbaufonds“ einzurichten. Das ehrgeizige Projekt mit dem Namen „Next Generation EU“ hatten die 27 Staats- und Regierungschefs im Juli 2020 nach einem Marathongipfel ausgehandelt, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzufangen. Im Dezember des Jahres folgte der formelle Beschluss des Ministerrats; im März darauf segnete der Bundestag die Kreditermächtigung ab. Dagegen zog der einstige AfD-Vorsitzende Bernd Lucke mit einem Eilantrag vor das BVerfG, unterstützt von einem „Bündnis Bürgerwille“ mit knapp 2.300 Mitstreitern; eine weitere Klage kam vom früheren BDI-Vorsitzenden und Stahlunternehmer Heiner Weiß. Das Gericht sorgte kurz für Aufregung, als es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anwies, das deutsche Ratifizierungsgesetz vorerst nicht auszufertigen. Knapp einen Monat später gab der Zweite Senat dann aber grünes Licht: Die Verfassungsbeschwerde sei in der Hauptsache zwar nicht offensichtlich unbegründet, doch lasse sich bei einer summarischen Prüfung keine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Verfassungsverstoß feststellen.

Am 26. und 27.7. wollen die Karlsruher Richter die Zustimmung des Parlaments nun öffentlich auf den Prüfstand stellen. Die Beschwerdeführer sehen darin einen ausbrechenden Rechtsakt (Ultra Vires). Das höchste Gericht will nach eigenen Angaben insbesondere klären, „ob der neue Eigenmittelbeschluss als offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung zu bewerten ist und ob der Bundestag mit dem Ratifizierungsgesetz seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung missachtet hat“.

Ausländerhass. Vor drei Jahren wurde der frühere CDU-Politiker Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten auf der Veranda vor seinem Wohnhaus erschossen. Dieser gestand, er habe aus Hass auf den damaligen Kasseler Regierungspräsidenten gehandelt, weil der sich für Migranten eingesetzt habe. Das OLG Frankfurt a.M. verurteilte ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, stellte die besondere Schwere der Schuld fest und behielt der Justiz die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor. Einen weiteren Angeklagten sprach es wegen „vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines wesentlichen Teils einer vollautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition“ schuldig und verhängte eine Bewährungsstrafe. Über die Revision verhandelt am 28.7. der BGH. Während die Angeklagten einen Freispruch fordern, beanstandet der Generalbundesanwalt, dass die beiden nicht wegen weiterer Vorwürfe verurteilt und der Staatsschutzsenat nicht gleich selbst eine Sicherungsverwahrung verfügt hat. An seiner Seite streiten als Nebenkläger die Ehefrau und die beiden Söhne des Getöteten.

Wiederaufnahme. Das BAG verhandelt am 28.7. quasi in eigener Sache: In Teilzeit beschäftigte Krankenpflegerinnen aus einer bayerischen Klinik waren im vergangenen Oktober in Erfurt mit ihrer Forderung nach Zuschlägen für geplante und ungeplante Überstunden gescheitert. Doch weiterhin sehen sie sich diskriminiert und wollen nun in derselben Instanz die drei entsprechenden Urteile zu Fall bringen. Was genau sie diesmal dem 6. Senat vortragen, war nicht zu erfahren. Doch lohnt ein Blick ins Gesetz, um die einschlägige Verfahrensart in Erinnerung zu rufen: die Nichtigkeitsklage. Prinzipiell möglich ist sie nach § 579 ZPO, wenn ein erkennendes Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; ebenso, wenn ein beteiligter Richter kraft Gesetzes von der Ausübung seines Amts ausgeschlossen oder mit Erfolg als befangen abgelehnt worden war. Und schließlich, wenn eine der Prozessparteien in dem Verfahren nicht vorschriftsmäßig vertreten war. Noch weniger geläufig dürfte manchem die Restitutionsklage (§ 580 ZPO) sein. Die erlaubt eine Wiederaufnahme immerhin in acht verschiedenen Fällen – etwa wenn ein Gericht auf Basis eines Meineids oder einer gefälschten Urkunde entschieden hat oder wenn die Entscheidung durch eine Straftat wie Betrug oder Nötigung zustan­­de gekommen ist.

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