Viel Zeit hat der Gesetzgeber nicht mehr, um bereits angestoßene Gesetzesvorhaben bis zu den voraussichtlichen Bundestagswahlen am 23.2.2025 abzuschließen. Denn bis dahin tagt der Bundestag nur noch in wenigen Sitzungswochen. Für Vorhaben, die sich noch im Gesetzgebungsverfahren befinden, muss sich die rot-grüne Rumpfregierung die erforderlichen Mehrheiten durch Abreden mit den Oppositionsparteien suchen. Mit Blick auf einen vorgezogenen Wahlkampf darf nicht überraschen, dass diese nicht immer mitspielen wollen. Davon betroffen sind rund zwei Dutzend rechtspolitische Gesetzgebungsvorhaben, die in Abstimmung mit der Anwaltschaft in den letzten Jahren konstruktiv mit dem Bundesjustizministerium (BMJ) vorbereitet wurden und nun in der letzten heißen Phase dieser Legislaturperiode angehalten werden.
Mit der Neuwahl des 21. Deutschen Bundestags wird alles auf Anfang gesetzt. Gesetzesvorschläge der Bundesregierung fallen dann in die Diskontinuität und müssen neu verhandelt werden. Gute Chancen auf einen Abschluss in den letzten zwei Monaten dieser verkürzten 20. Legislaturperiode hat das Gesetzgebungsvorhaben zur Stärkung des BVerfG aus dem bisher FDP-geführten BMJ, das von der Anwaltschaft nicht nur unterstützt, sondern als dringlich eingefordert wurde. Der bereits mit den Fraktionen von CDU/CSU inhaltlich abgestimmte Entwurf wurde auch nach dem Aus der Ampel als eines der wenigen Gesetzesvorhaben im Rechtsausschuss weiter beraten. Zünglein an der Waage ist jetzt der Bundesrat, der allerdings mit eigenen Vorschlägen das Gesetzgebungsverfahren behindern könnte. Denn schließlich braucht es für dieses Gesetz eine verfassungsändernde Mehrheit.
Eine Realisierungschance sollte auch die Anpassung der Anwaltsvergütung haben. Der bereits seit Monaten durch das BMJ mit den Anwaltsverbänden in einem aufwändigen Prozess abgestimmte Referentenentwurf wartet seither beim Bundeskabinett auf seine Verabschiedung. Dem Vernehmen nach wird das von der Anwaltschaft dringend eingeforderte Vorhaben durch das SPD-geführte Bundesinnenministerium blockiert, nicht wegen inhaltlicher Bedenken, sondern als Faustpfand für die in der Regierungskoalition umstrittenen Sicherheitsgesetze. Nachdem diese noch vor deren Auseinanderbrechen beschlossen wurden, sollte jetzt einer Verabschiedung nichts mehr im Wege stehen. Denn der vorgelegte Referentenwurf ist bereits mit den Ländern abgestimmt und könnte deshalb in den verbleibenden Sitzungswochen mit Unterstützung der Opposition zügig beschlossen werden.
Die „letzten 100 Meter“
Einigen für die Anwaltschaft und für die Fortentwicklung des Rechtssystems wichtigen Gesetzgebungsvorhaben aus dem BMJ droht jedoch im Bundestag die Luft auszugehen. Dazu gehört das Erprobungsgesetz für ein Online-Verfahren bei den Zivilgerichten, das einen ersten Regelungsrahmen für ein vollständig digitales Gerichtsverfahren zunächst für Kleinforderungen zur Erprobung bei den Amtsgerichten schaffen soll. Die dringend erforderliche Anpassung der Gerichtsverfahren an die digitale Entwicklung verzögert sich im Zweifel damit unnötig. Die Beratungen über den Zivilprozess der Zukunft durch eine von Bund und Ländern eingesetzte Expertenkommission werden durch die verkürzte Legislaturperiode jedoch nicht unterbrochen. Anders hingegen das Gesetzgebungsverfahren zur Anpassung der Zuständigkeitsstreitwerte bei den Amtsgerichten und zur Einrichtung neuer Fachgerichtsbarkeiten. Die Beratungen im Rechtsausschuss stehen noch aus, eine neue Bundesregierung dürfte diese über viele Jahre hinweg vorbereiteten Anpassungsgesetze aber zügig wieder aufgreifen.
Mit einem „Anlauf“ von drei Legislaturperioden hat immerhin die Einführung von Commercial Courts die Ziellinie überschritten, außerdem die Neuregelung von § 128a ZPO. Dies ist jedoch nur ein kleiner Fortschritt. Der Einsatz von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichten, der sich nicht nur in der Corona-Pandemie bewährt hat, wurde in einem Kompromiss mit den Ländern im Vermittlungsausschuss deutlich eingedampft. Dort ausgesessen wird die Dokumentation der Hauptverhandlung. Diese von der Anwaltschaft geforderte Stärkung der Rechte des Angeklagten und der Verteidigung scheitert letztlich am Widerstand der Richterschaft.
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