Aus der Anwaltschaft
Differenzierter Blick auf Anwaltseinkommen
Aus der Anwaltschaft
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Hohe Einkünfte sind in der Anwaltschaft kein Automatismus. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg ist die strukturelle Aufstellung. Der aktuelle STAR-Bericht offenbart aber erhebliche Einkommensunterschiede.

22. Okt 2024

Zunächst die gute Nachricht: Die Einkommenssituation der Anwaltschaft hat sich in den zurückliegenden Jahren moderat verbessert. Auch der aktuelle im Auftrag der BRAK durchgeführte STAR-Bericht 2023 für das Jahr 2022 bestätigt eine Entwicklung, die die Attraktivität des Anwaltsberufs auch unter finanziellen Gesichtspunkten belegt. Dies gilt nicht nur für Anwälte in Großkanzleien, auch als Einzelanwalt lassen sich gute Jahresergebnisse erzielen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dies nicht die Regel ist. Tatsächlich driften die Einkommen weiter auseinander. Die Wahl des Standorts, die Größe der Kanzlei, die Entscheidung über eine Spezialisierung und auch Gender spielen eine ganz erhebliche Rolle.

Positive Einkommensentwicklung

Grundsätzlich ist die Entwicklung sowohl des Jahresumsatzes sowie des Jahresüberschusses der selbstständig tätigen Rechtsanwälte positiv. In dem um Ausreißer bereinigten Durchschnitt erwirtschafteten Einzelanwälte in Deutschland Umsätze von bis zu 130.000 EUR, der Jahresüberschuss stieg auf 70.000?EUR. Gegenüber der letzten Erhebung von 2018 stiegen Umsatz (109.000 EUR) wie Einkommen (53.000 EUR) in vier Jahren damit angemessen. Ebenso positiv verlief die Entwicklung bei den örtlichen wie überörtlichen Sozietäten, bei denen es sich im Zweifel um Großkanzleien handelt. Deren Zahlen sind erwartungsgemäß deutlich höher. Mit durchschnittlich 189.000?EUR Umsatz und einem Überschuss von 105.000?EUR lohnt sich die Entscheidung für die Partnerschaft schon. Erst recht in den großen überörtlichen Kanzleien, die bei einem bereinigten Umsatz von 275.000 EUR schon fast erwartungsgemäß mit anderen Zahlen operieren. Überraschend ist allerdings, dass sich bei den „Großen“ trotz deutlich steigender Umsätze die durchschnittlichen Einkommen von 117.000 auf 130.000 EUR erhöhten. Ein Indiz dafür, dass höhere Kosten, wohl auch aufgrund von KI-Anwendungen, das stetige Wachstum einbremsen.

West-Ost-Gefälle und Gender-Gap

Die Untersuchung bestätigt das weitere Auseinanderdriften der Einkommen in West und Ost. Durchschnittlich erzielten Einzelanwälte im Westen 26 % mehr Umsatz und ein um 20 % höheres Einkommen. Deutlich ist der Umsatzanstieg im Westen von 112.000 auf 140.000 EUR bei einem Überschuss von 75.000 EUR gegenüber 65.000 EUR im Jahr 2018. Zwar erzielten Einzelanwälte gegenüber den Vorerhebungen deutlich bessere Einkünfte, dennoch vergrößert sich der Abstand seit Jahren, und Einzelanwälte im Osten verdienen jetzt so viel wie ihre Kollegen im Westen im Jahr 2018. Wenig erfreulich sind die Zahlen bei den örtlichen Sozietäten im Osten. Deren Umsätze sowie Einkommen sinken sogar: die Umsätze von 154.000 EUR auf 140.000 EUR und die Überschüsse von 86.000 EUR auf 71.000 EUR. Damit verdienen Partner in Sozietäten im Osten weniger als selbstständige Einzelanwälte. Diese Entwicklung ist überraschend und vielleicht ein Ausreißer, denn bisher waren die Verdienstmöglichkeiten in Sozietäten im Osten solide. Allerdings stagnierten auch die Einkünfte bei den überörtlichen Sozietäten in den neuen Bundesländern und haben gegenüber dem Vergleichsjahr 2016 sogar nahezu 30 % verloren.

Anwältinnen verdienten insgesamt deutlich weniger. Ihr durchschnittliches Jahreseinkommen beträgt 56.000 EUR, das von Anwälten 74.000 EUR; im Westen erhöht sich das Einkommen leicht auf 60.000 EUR, während es im Osten nur noch 42.000 EUR beträgt. Allerdings arbeiten Anwältinnen häufiger als ihre Kollegen in Teilzeit. Bei einer Vollzeittätigkeit steigt ihr Einkommen im Westen auf 72.000 EUR und im Osten auf 53.000 EUR. Die beträchtliche Kluft zwischen den Geschlechtern bleibt jedoch.

Mehr Einkommen durch Spezialisierung

Nur 17 % der befragten Anwälte gaben an, weder spezialisiert zu sein noch mindestens einen Fachanwaltschaftstitel zu führen. Die Auswirkungen auf die Einkommen sind jedoch beträchtlich: Anwälte ohne Spezialisierung erzielten im Westen einen bereinigten Überschuss von lediglich 31.000 EUR, im Osten von 22.000 EUR. Spezialisierte Anwälte gaben an, durchschnittlich einen Überschuss von 55.000 EUR (West) bzw. 36.000 EUR (Ost) zu erwirtschaften, Fachanwälte sogar 90.000 EUR (West) bzw. 74.000 EUR (Ost).

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Rechtsanwalt Stephan Göcken ist Hauptgeschäftsführer der BRAK, Berlin.