Urteilsanalyse

Ab­gren­zung von Com­pu­ter­be­trug und Un­treue beim Ein­satz einer Bank­kar­te
Urteilsanalyse
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Un­be­fugt ist nach einem Be­schluss des OLG Hamm eine Ver­wen­dung von Daten i.S.v. § 263a Abs. 1 StGB auch dann, wenn eine Bank­kar­te ver­wen­det wird, die mit­tels ver­bo­te­ner Ei­gen­macht er­langt wurde.

13. Mrz 2023

An­mer­kung von Rechts­an­walt Tho­mas C. Knie­rim, Knie­rim & Kol­le­gen, Mainz

Aus beck-fach­dienst Straf­recht 05/2023 vom 09.03.2023

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Straf­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Straf­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Straf­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de.

Sach­ver­halt

Die Ge­schä­dig­te (G) hatte ge­gen­über den Er­mitt­lungs­be­hör­den in meh­re­ren Brie­fen dar­über Be­schwer­de ge­führt, dass der An­ge­klag­te (A) ihre Bank­kar­te (EC-Karte) ein­ge­setzt habe, um Geld von ihrem Bank­kon­to ab­zu­he­ben, das sie nicht er­hal­ten habe. Ei­ni­ge Male zuvor habe sie zwar dem A für kon­kre­te ein­zel­ne Ab­he­bun­gen die Bank­kar­te je­weils aus­ge­hän­digt und ihm die Ge­heim­num­mer (PIN) mit­ge­teilt. Aber die Karte sei dann je­weils an die G zu­rück­ge­ge­ben wor­den. In dem Ge­sche­hen, das Ge­gen­stand der An­kla­ge war, soll­te der A die Karte ohne Ab­spra­che mit der G „an sich ge­nom­men“ haben, ob eine Rück­ga­be er­folg­te, wurde nicht aus­drück­lich fest­ge­stellt. Das AG ver­ur­teil­te den A dar­auf­hin wegen Com­pu­ter­be­tru­ges. Die Be­ru­fungs­kam­mer des LG hielt die Ver­ur­tei­lung auf­recht und wer­te­te straf­schär­fend, dass der A „ein­schlä­gig vor­be­straft“ sei. Die Re­vi­si­on des A zum OLG war er­folg­los.

Ent­schei­dung

Die Re­vi­si­on wurde als un­be­grün­det ver­wor­fen.

Für recht­lich be­denk­lich aber nicht durch­grei­fend er­ach­te­te der Senat, dass das LG in den Ur­teils­grün­den den nä­he­ren In­halt der Brie­fe der G nicht dar­ge­stellt hat, ins­be­son­de­re weil damit un­klar ge­blie­ben sei, ob die Be­ru­fungs­kam­mer Zwei­fel an deren Geis­tes­zu­stand hatte. Indes würde – selbst wenn man hier­in einen Rechts­feh­ler er­bli­cken woll­te – das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nicht auf einem sol­chen be­ru­hen. Das LG habe seine Über­zeu­gungs­bil­dung er­kenn­bar schon auf die üb­ri­gen – rechts­feh­ler­frei fest­ge­stell­ten und er­ör­ter­ten Um­stän­de – ge­stützt und die Brie­fe le­dig­lich noch zur Ab­run­dung am Ende sei­ner Be­weis­wür­di­gung er­wähnt.

Das fest­ge­stell­te Tat­ge­sche­hen er­fül­le auch den Straf­tat­be­stand des § 263a Abs. 1 StGB in der Al­ter­na­ti­ve der un­be­fug­ten Ver­wen­dung von Daten. Un­be­fugt sei eine Ver­wen­dung von Daten auch dann, wenn eine Bank­kar­te ver­wen­det werde, die mit­tels ver­bo­te­ner Ei­gen­macht er­langt wor­den sei. Hin­ge­gen wäre der Tat­be­stand der ge­nann­ten Straf­norm nicht er­füllt, wenn die G dem A die Bank­kar­te nebst Ge­heim­num­mer über­las­sen und die­ser le­dig­lich ab­re­de­wid­rig (zu viel) Geld für ei­ge­ne Zwe­cke am Geld­au­to­ma­ten ab­ge­ho­ben hätte, denn dies stün­de einer er­teil­ten Bank­voll­macht gleich. In einem sol­chen Fall käme dann die Straf­bar­keit nach § 266 StGB wegen Un­treue in Be­tracht. Im vor­lie­gen­den Fall habe die G aber dem A weder ge­ne­rell noch für die kon­kre­ten Ab­he­bun­gen die Bank­kar­te über­las­sen. Viel­mehr habe es sich so ver­hal­ten, dass die G dem A in der Ver­gan­gen­heit für kon­kre­te ein­zel­ne Ein­käu­fe die EC-Karte je­weils aus­ge­hän­digt und ihm die Ge­heim­num­mer kund­ge­tan habe. Die Karte – das er­ge­be sich aus dem Ge­samt­zu­sam­men­hang der Ur­teils­grün­de – sei dann je­weils zu­rück an die G aus­ge­hän­digt wor­den. Im kon­kre­ten Fall – so die Fest­stel­lun­gen – habe der A die Karte „an sich ge­nom­men“. Sie sei ihm also ge­ra­de nicht aus­ge­hän­digt wor­den.

In der Straf­zu­mes­sung habe das LG straf­schär­fend ge­wer­tet, dass der A „auch ein­schlä­gig“ vor­be­straft sei. Dies er­schei­ne auf der Basis der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen rechts­feh­ler­haft, weil sich aus den Fest­stel­lun­gen zu den Vor­stra­fen keine ein­schlä­gi­gen er­ge­ben.

Der Um­stand, dass die Höhe des ein­zel­nen Ta­ges­sat­zes deut­lich zu nied­rig an­ge­setzt wor­den sei, be­schwe­re den A nicht. Das LG habe (u.a.) die vom A ge­zahl­te mo­nat­li­che Woh­nungs­mie­te in Höhe von mehr als 500 EUR von sei­nem Net­to­ein­kom­men ab­ge­zo­gen. Dies sei in zwei­fa­cher Hin­sicht recht­lich zwei­fel­haft: Zum einen zahle der A nach den Fest­stel­lun­gen zur Per­son an seine El­tern nur in dem Zeit­raum einen Miet­zins, in dem diese sich nicht in Deutsch­land auf­hal­ten, also nicht durch­gän­gig ganz­jäh­rig. Zum an­de­ren seien all­ge­mei­ne Kos­ten der Le­bens­hal­tung (Nah­rungs­mit­tel, Woh­nen, En­er­gie, Klei­dung u.ä.) grund­sätz­lich nicht ab­zieh­bar. Woll­te man auch sol­che in Abzug brin­gen, so würde die Geld­stra­fe als (spür­ba­re) Straf­sank­ti­on ent­wer­tet, weil dann bes­ten­falls noch über­durch­schnitt­li­che (oder Luxus-) Kon­sum­mög­lich­kei­ten ein­ge­schränkt wür­den, der Täter aber an­sons­ten in sei­ner all­ge­mei­nen Le­bens­füh­rung kaum be­trof­fen wäre.

Pra­xis­hin­weis

An­ge­sichts ei­ni­ger Un­tie­fen der Ent­schei­dungs­grün­de des 5. Straf­se­nats des OLG Hamm soll­te der erste Leit­satz mit Vor­sicht be­han­delt wer­den. Dem Leser er­schlie­ßt sich je­den­falls aus den Ent­schei­dungs­grün­den nicht, ob die drit­te Tat­be­stands­al­ter­na­ti­ve des § 263a Abs. 1 StGB („un­be­fug­te Ver­wen­dung von Daten“) tat­säch­lich im Zeit­punkt der Tat­aus­füh­rung zwei­fels­frei er­füllt war. Nicht dem Tat­be­stand des § 263a Abs. 1 StGB un­ter­fällt eine Bank­kar­ten­ver­wen­dung, der kein täu­schungs­äqui­va­len­tes Ver­hal­ten in­ne­wohnt (BGH BeckRS 2004, 5411). Ob daher der Ein­satz einer nicht für den An­wen­der per­sön­lich aus­ge­stell­ten Bank­kar­te einer Täu­schung gleich­ge­stellt wer­den kann, wäre zu klä­ren ge­we­sen. Die Ent­schei­dungs­grün­de sind in­des­sen dazu kaum aus­sa­ge­fä­hig. So las­sen die Be­mer­kun­gen des Se­nats zur Frage, ob das LG Zwei­fel an der geis­ti­gen Ge­sund­heit der Ge­schä­dig­ten aus­ge­räumt hatte, be­fürch­ten, dass die Fä­hig­kei­ten zu rechtstat­säch­lich selbst­be­stimm­ten Er­klä­run­gen der Bank­kar­ten­in­ha­be­rin, die mut­ma­ß­lich als ein­zi­ge Be­las­tungs­zeu­gin auf­tragt, nicht hin­rei­chend ge­klärt wur­den. Davon hing aber u.a. ab, ob die Ver­wen­dung der Bank­kar­te er­laubt oder durch Täu­schung her­bei­ge­führt war. Ins­be­son­de­re an­ge­sichts des Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses, das vom Senat durch­aus kon­sta­tiert wurde, er­scheint das Pos­tu­lat einer „ver­bo­te­nen Ei­gen­macht“ ohne nä­he­re Fest­stel­lun­gen nicht über­zeu­gend. Die Zwei­fel rei­chen von der Frage da­nach, wo und von wem die Bank­kar­te ver­wahrt wurde, ob der An­ge­klag­te Mit­be­sitz hatte, bis hin zur Frage, ob der Ein­satz der Bank­kar­te ge­gen­über der Bank über­haupt eine tat­säch­li­che oder rechts­ge­schäft­li­che Wil­lens­äu­ße­rung der Ge­schä­dig­ten er­for­der­te. Nicht plau­si­bel er­scheint daher, dass in den Ent­schei­dungs­grün­den dem vor­an­ge­gan­ge­nen ver­trau­ens­vol­len Um­gang mit der Bank­kar­te ein nicht näher um­schrie­be­nes ei­gen­mäch­ti­ges Ver­hal­ten ge­gen­über­ge­stellt wird. Zudem er­schlie­ßt sich die von der herr­schen­den Mei­nung in Rspr. und Lit. ge­for­der­te be­trugs­ähn­li­che Ver­hal­tens­wei­se des Be­sit­zers der Bank­kar­te dar­aus nicht. Auch der Hin­weis auf die zwei­te Ent­schei­dung des BGH (BeckRS 2002, 867) trägt nicht. Zwar fin­det sich in dem dor­ti­gen Leit­satz eben­falls das Pos­tu­lat, dass die ver­bo­te­ne Ei­gen­macht das Tat­be­stands­merk­mal „un­er­laub­te Ver­wen­dung von Daten“ er­fül­len kann. Aber die Aus­fül­lung die­ses Tat­be­stands­merk­mals er­for­dert nicht le­dig­lich die Fest­stel­lung einer Über­schrei­tung einer Ver­tre­tungs- und Ver­fü­gungs­macht, wie der BGH aus­drück­lich klar­stellt. Zudem be­darf es der täu­schungs­be­ding­ten Ver­wen­dung der Bank­kar­te, zu der man in den Ent­schei­dungs­grün­den nichts vor­fin­det.

OLG Hamm, Be­schluss vom 19.01.2023 - 5 RVs 39/22 (LG Essen), BeckRS 2023, 1671