Urteilsanalyse
Abberufungsschutz des Datenschutzbeauftragten ist unionsrechtskonform
Urteilsanalyse
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Der besondere Schutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten vor einer Abberufung gemäß § 6 IV 1 BDSG steht im Einklang mit Unionsrecht. Eine Abberufung kann durch Gründe gerechtfertigt sein, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhängen und deren Ausübung unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden.

9. Nov 2023

Anmerkung von

RA Prof. Dr. Christian Arnold, LL.M. (Yale), Gleiss Lutz, Stutttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 44/2023 vom 09.11.2023

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Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragter. Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und bestellte den Kläger mit Schreiben vom 17.02.2004 zum Datenschutzbeauftragten. Mit Schreiben vom 15.08.2018 berief die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 31.08.2018 als Datenschutzbeauftragten ab. ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Der Senat legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Regelung in § 6 IV 1 BDSG, der zufolge die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 I BGB voraussetzt, mit Art. 38 III 2 DS-GVO im Einklang stehe (BAG, FD-ArbR 2021, 442291). Mit Urteil vom 09.02.2023 entschied der EuGH, dass das Erfordernis eines wichtigen Grundes mit Unionsrecht vereinbar sei (EuGH, FD-ArbR 2023, 456408).

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung an das LAG. Das BAG stellt zunächst fest, dass die Klage nicht mit der vom LAG gegebenen Begründung zurückgewiesen werden durfte. Das LAG hatte angenommen, die Abberufung sei nicht am Maßstab des § 6 IV 1 BDSG i.V.m. § 626 I BGB, sondern allein an der landesrechtlichen Vorschrift des § 11 II SächsDSG a.F. zu messen. Zwar seien öffentliche Stellen der Länder von den Bestimmungen des BDSG ausgenommen, soweit der Datenschutz in den betreffenden Bundesländern durch landesdatenschutzrechtliche Bestimmung geregelt sei. Allerdings falle die Beklagte nicht in den Anwendungsbereich des SächsDSG a.F., da die Beklagte nicht als öffentliche Stelle im Anwendungsbereich des Landesgesetzes genannt sei.

Ferner sei die Entscheidung des LAG auch nicht aus anderen Gründen zutreffend. Zwar habe die Abberufung des Klägers keiner Teilkündigung seines Arbeitsverhältnisses bedurft. Vielmehr sei anzunehmen, dass arbeitsvertragliche Regelungen über die Übertragung der Aufgaben eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten lediglich für die Dauer der Übertragung des Amtes und der damit verbundenen Tätigkeit gelten sollen. Der Senat könne aber nicht feststellen, ob die Voraussetzungen für die Abberufung nach § 6 IV 1 BDSG vorlägen. Da die Vorschrift nach dem EuGH unionsrechtskonform sei, komme es darauf an, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers vorliege. Als wichtige Gründe kämen insbesondere solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhingen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden, bspw. ein Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter. Auch die wirksame Beendigung des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses könne ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines internen Datenschutzbeauftragen sein. Ferner könne ein wichtiger Grund vorliegen, wenn der Datenschutzbeauftragte die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitze. Die Zuverlässigkeit eines Datenschutzbeauftragten könne insbesondere in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Hierzu bedürfe es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch das LAG.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BAG ist nach der entsprechenden Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH erwartungsgemäß ausgefallen. Danach steht fest, dass die Regelung in § 6 IV 1 BDSG unionsrechtskonform ist und daher die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragen eines wichtigen Grundes bedarf. In seiner Entscheidung zeigt der Senat auf, welche Umstände als solche wichtigen Gründe in Betracht kommen. Weitere Entscheidungen werden sicherlich folgen.

BAG, Urteil vom 06.06.2023 - 9 AZR 621/19 (LAG Sachsen), BeckRS 2023, 26387